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Die Kammer

Titel: Die Kammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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anderen wartete er darauf, daß das verdammte Oberste Bundesgericht seine Entscheidung traf, so oder so.
    Er beauftragte die beiden größten Wärter, die Fenster an der Oberkante der Außenmauer zu schließen. Wie das Gebäude waren auch die Fenster sechsunddreißig Jahre alt und ließen sich nicht lautlos bewegen. Die Wärter schoben sie hoch, bis sie zuknallten und das Schließen jedes einzelnen im Abschnitt widerhallte. Fünfunddreißig Fenster insgesamt, jeder Insasse kannte die genaue Zahl, und mit jedem Schließen wurde es dunkler und stiller.
    Endlich waren die Wärter fertig und verschwanden. Der Todestrakt war jetzt abgeriegelt - jeder Insasse in seiner Zelle, alle Türen gesichert, alle Fenster geschlossen.
    Beim Schließen der Fenster hatte Sam zu zittern begonnen. Sein Kopf sank noch tiefer herunter. Adam legte einen Arm um seine mageren Schultern.
    »Ich habe diese Fenster immer gemocht«, sagte Sam mit leiser und heiserer Stimme. Ein Trupp Wärter stand knapp fünf Meter entfernt und schaute durch die Gitterstäbe wie Kinder im Zoo, und Sam wollte nicht, daß sie hörten, was er sagte. Es war schwer, sich vorzustellen, daß Sam an diesem Bau irgend etwas gemocht hatte. »Wenn es heftig regnete, dann klatschte das Wasser gegen die Fenster, und etwas davon drang ein und tröpfelte auf den Boden. Ich habe den Regen immer gemocht. Und den Mond. Manchmal, wenn sich die Wolken verzogen hatten, konnte ich von meiner Zelle aus durch diese Fenster den Mond sehen. Ich habe mich immer gefragt, weshalb sie hier nicht mehr Fenster haben. Ich meine, weshalb zum Teufel, Entschuldigung, Reverend, aber wenn sie entschlossen sind, einen den ganzen Tag in der Zelle zu halten, weshalb sollte man dann nicht nach draußen schauen können? Das habe ich nie verstanden. Aber vermutlich habe ich eine ganze Menge Dinge nie verstanden. Nun ja.« Seine Stimme wurde immer leiser, und eine ganze Weile sagte er überhaupt nichts mehr.
    Aus der Dunkelheit kam der wohlklingende Tenor von Preacher Boy, der »Just a Closer Walk with Thee« sang. Es hörte sich gut an.
    Just a closer walk with Thee,
Grant it, Jesus, is my plea,
Daily walking close to Thee...
    »Still!« brüllte ein Wärter.
    »Laßt ihn in Ruhe«, brüllte Sam zurück, und Adam und Ralph fuhren zusammen. »Sing weiter, Randy«, sagte Sam gerade so laut, daß es nebenan zu hören war. Preacher Boy ließ sich Zeit, seine Gefühle waren offenbar verletzt, dann begann er von vorn.
    Irgendwo schlug eine Tür zu, und Sam fuhr zusammen. Adam drückte seine Schultern, und er beruhigte sich. Seine Augen waren nicht zu sehen - sie waren auf das Dunkel zu seinen Füßen gerichtet.
    »Lee konnte wohl nicht kommen«, sagte er mit hohler Stimme.
    Adam dachte eine Sekunde nach, dann beschloß er, die Wahrheit zu sagen. »Ich weiß nicht, wo sie ist. Ich habe seit zehn Tagen nicht mehr mit ihr gesprochen.«
    »Ich dachte, sie wäre in einer Entziehungsklinik.«
    »Das nehme ich auch an, aber ich weiß nicht, in welcher. Es tut mir leid. Ich habe alles Mögliche versucht, um sie zu finden.«
    »Ich habe in den letzten Tagen viel an sie gedacht. Bitte sag ihr das.«
    »Das werde ich.« Wenn Adam sie wiedersah, würde er versuchen, alles zu vermeiden, was sie belasten konnte.
    »Und ich habe viel an Eddie gedacht.«
    »Uns bleibt nicht mehr viel Zeit, Sam. Laß uns von angenehmen Dingen reden, okay?«
    »Ich möchte, daß du mir verzeihst, was ich Eddie angetan habe.«
    »Ich habe dir verziehen. Das ist erledigt. Carmen und ich verzeihen dir.«
    Ralph senkte den Kopf. »Vielleicht sind da auch noch andere, an die wir denken sollten, Sam.«
    »Vielleicht später«, sagte Sam.
    Die Abschnittstür am entgegengesetzten Ende des Flurs wurde geöffnet, und Schritte eilten auf sie zu. Lucas Mann, gefolgt von einem Wärter, blieb vor der letzten Zelle stehen und betrachtete die drei schattenhaften Gestalten auf dem Bett. »Adam, Sie haben einen Anruf«, sagte er nervös. »Im vorderen Büro.«
    Die drei schattenhaften Gestalten erstarrten. Adam sprang auf und verließ wortlos die Zeile, sobald sich die Tür geöffnet hatte. Sein Magen war in hellem Aufruhr, als er den Flur entlangeilte. »Machen Sie ihnen die Hölle heiß, Adam«, sagte J. B. Guilitt, als er vorbeihastete.
    »Wer ist es?« fragte Adam Lucas Mann, der mit ihm Schritt hielt.
    »Garner Goodman.«
    Sie durchquerten das Zentrum des HST und eilten ins vordere Büro. Der Hörer lag auf dem Schreibtisch. Adam griff danach und setzte sich

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