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Die Kammer

Titel: Die Kammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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»Ich hoffe von ganzem Herzen, daß die Hinrichtung von Sam Cayhall dazu beitragen wird, ein schmerzliches Kapitel in der düsteren Geschichte unseres Staates zu beenden. Ich fordere alle Einwohner von Mississippi auf, nach dieser schweren Nacht zusammenzustehen und sich für die Gleichheit aller einzusetzen. Möge Gott Sam Cayhalls Seele gnädig sein.«
    Als die Fragen auf ihn einprasselten, wich er zurück. Die Leibwächter öffneten eine Nebentür, und er war verschwunden. Sie eilten die Stufen hinunter und durch den Südeingang hinaus, wo ein Wagen wartete. Eine Meile entfernt wartete außerdem ein Hubschrauber.
    Goodman ging hinaus und blieb bei der alten Kanone stehen, die aus irgendeinem Grund auf die hohen Gebäude der Innenstadt gerichtet war. Unter ihm, am Fuße der Treppe, hielt eine große Gruppe von Demonstranten Kerzen in den Händen. Er rief Adam an und informierte ihn, dann ging er zwischen den Leuten und den Kerzen hindurch und verließ das Gelände des Kapitels. Als er die Straße überquerte, setzte eine Hymne ein, die er zwei Blocks weit hören konnte. Er schlenderte eine Weile ziellos herum, dann machte er sich auf den Weg zu Hez Kerrys Büro.
50
    D er Rückweg zur Observierungszelle war viel länger als beim vorigen Mal. Adam legte ihn allein zurück, auf mittlerweile vertrautem Terrain. Lucas Mann verschwand irgendwo im Labyrinth des Trakts.
    Als Adam vor einer verschlossenen Tür im Innern des Gebäudes wartete, wurde ihm plötzlich zweierlei bewußt. Zum einen waren jetzt viel mehr Leute als sonst zu sehen mehr Wärter, mehr Fremde mit Plastikabzeichen und einer Waffe an der Hüfte, mehr finster dreinblickende Männer mit kurzärmeligen Hemden und Polyester-Krawatten. Dies war ein Happening, das man sich auf keinen Fall entgehen lassen durfte. Adam vermutete, daß jeder Gefängnisangestellte, der über genügend Einfluß und Beziehungen verfügte, einfach dabeisein mußte, wenn Sams Todesurteil vollstreckt wurde.
    Das zweite, das ihm bewußt wurde, war die Tatsache, daß sein Hemd durchgeschwitzt war und der Kragen ihm am Hals klebte. Er lockerte seine Krawatte, als die Tür laut klickte und dann unter dem Surren eines verborgenen Elektromotors aufglitt. Irgendwo in dem Irrgarten aus Betonmauern und Fenstern und Gittern paßte ein Wärter auf und drückte auf die richtigen Knöpfe. Er ging hindurch, immer noch am Knoten seiner Krawatte und dem Knopf darunter zerrend, und ging auf die nächste Barriere zu, eine Wand aus Gitterstäben, durch die man in den Abschnitt A gelangte. Er befühlte seine Stirn, aber da war kein Schweiß. Er füllte seine Lungen mit feuchtheißer Luft.
    Jetzt, bei geschlossenen Fenstern, war die Atmosphäre zum Ersticken. Ein weiteres lautes Klicken, ein weiteres elektrisches Surren, und er trat auf den kahlen Flur, von dem Sam ihm gesagt hatte, daß er zwei Meter fünfundzwanzig breit war. Drei jämmerliche Leuchtstoffröhren warfen düstere Schatten auf Decke und Fußboden. Er schob seine schweren Füße an den dunklen Zellen vorbei, in denen brutale Mörder saßen, die jetzt alle beteten oder meditierten, manchmal sogar weinten.
    »Gute Nachrichten, Adam?« flehte Gullitt aus der Dunkelheit. Adam antwortete nicht. Im Weitergehen schaute er hinauf zu den Fenstern mit den verschiedenfarbigen Farbspritzern auf den alten Scheiben, und plötzlich fragte er sich, wie viele Anwälte vor ihm schon diesen letzten Gang vom vorderen Büro zur Observierungszelle hinter sich gebracht hatten, um einem Sterbenden mitzuteilen, daß jetzt auch der letzte Fetzen Hoffnung verschwunden war. Dieser Bau konnte auf eine lange Hinrichtungs-Geschichte zurückblicken, und deshalb vermutete er, daß schon viele andere auf diesem Weg gelitten hatten. Garner Goodman selbst hatte Maynard Töle die letzte Nachricht überbracht, und das verlieh Adam den Kraftschub, den er dringend brauchte.
    Er ignorierte die neugierigen Blicke der kleinen Horde, die am Ende des Flurs stand und ihn anstarrte. Vor der letzten Zelle blieb er stehen und wartete, und die Tür glitt gehorsam auf.
    Sam und der Reverend saßen nach wie vor auf dem Bett und flüsterten miteinander, wobei sich ihre Köpfe in der Dunkelheit fast berührten. Sie schauten zu Adam auf, der sich neben Sam setzte und ihm einen Arm um die Schultern legte, Schultern, die ihm jetzt noch magerer vorkamen.
    »Das Oberste Bundesgericht hat alles abgewiesen«, sagte er sehr leise, mit fast brechender Stimme. Der Reverend stöhnte betroffen auf. Sam

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