Die Kammer
auf den Schreibtisch. »Garner, hier ist Adam.«
»Ich bin im Kapitol, Adam, in der Rotunde vor dem Büro des Gouverneurs. Das Oberste Bundesgericht hat gerade unsere sämtlichen Anträge auf Revision abgewiesen. Da liegt jetzt nichts mehr an.«
Adam schloß die Augen und schwieg einen Moment. »Das war's dann wohl«, sagte er und sah Lucas Mann an. Lucas runzelte die Stirn und ließ den Kopf sinken.
»Bleiben Sie beim Telefon. Der Gouverneur will gleich eine Erklärung abgeben. Ich rufe Sie in fünf Minuten wieder an.« Goodman hatte aufgelegt.
Auch Adam legte den Hörer auf und starrte den Apparat an. »Das Oberste Bundesgericht hat alles abgewiesen«, informierte er Lucas Mann. »Der Gouverneur will eine Erklärung abgeben. Goodman ruft gleich wieder an.«
Mann setzte sich hin. »Es tut mir leid, Adam. Sehr leid. Wie steht Sam es durch?«
»Ich glaube, Sam ist in einer wesentlich besseren Verfassung als ich.«
»Es ist seltsam, nicht wahr? Dies ist meine fünfte, und ich bin immer wieder verblüfft, wie gelassen sie es hinnehmen. Sie geben auf, wenn es dunkel wird. Sie verzehren ihre letzte Mahlzeit, nehmen Abschied von ihren Angehörigen und dann überkommt sie eine ganz eigenartige Gelassenheit. Ich an ihrer Stelle würde treten und schreien und kreischen. Mich müßten zwanzig Mann aus der Observierungszelle herauszerren.«
Adam brachte ein flüchtiges Lächeln zustande, dann bemerkte er einen offenen Schuhkarton auf dem Schreibtisch. Er war mit Alufolie ausgekleidet, und auf dem Boden lagen ein paar zerbrochene Plätzchen. Als er eine Stunde zuvor den Raum verlassen hatte, war der Karton noch nicht dagewesen. »Was ist das?« fragte er, nicht wirklich interessiert.
»Das sind die Hinrichtungs-Plätzchen.«
»Die Hinrichtungs-Plätzchen?«
»Ja, diese reizende kleine Dame, die in der Nähe des Haupteingangs wohnt, backt sie jedesmal, wenn wir eine Hinrichtung haben.«
»Weshalb?«
»Ich weiß es nicht. Ich habe nicht die geringste Ahnung, weshalb sie das tut.«
»Wer ißt sie?« fragte Adam und betrachtete die restlichen Plätzchen und die Krümel, als wären sie giftig.
»Die Wärter und die Vertrauenshäftlinge.«
Adam schüttelte den Kopf. Er war zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt, um über den Sinn von ein paar Blechen mit Hinrichtungs-Plätzchen nachdenken zu können.
Für den feierlichen Anlaß hatte David McAllister einen dunkel marineblauen Anzug gewählt, ein frisch gestärktes weißes Hemd und eine dunkel weinrote Krawatte. Er hatte sein Haar gekämmt und besprüht, sich die Zähne geputzt und dann sein Büro durch eine Nebentür betreten. Mona Stark addierte Zahlen.
»Die Anrufe haben endlich aufgehört«, sagte sie, ziemlich erleichtert.
»Ich will nichts davon hören«, sagte McAllister und überprüfte seine Zähne und seine Krawatte im Spiegel. »Gehen wir.«
Er öffnete die Tür und trat ins Foyer hinaus. Hier standen zwei Leibwächter bereit, die ihn auf seinem Weg in die Rotunde flankierten, wo grelle Scheinwerfer auf ihn warteten. Ein Schwärm von Reportern und Kameramännern drängte vorwärts, um seine Erklärung zu hören. Er trat auf ein improvisiertes, mit einem Dutzend Mikrofonen bestücktes Podium, kniff wegen des Scheinwerferlichts einen Moment die Augen zusammen und wartete auf Ruhe. Dann sprach er.
»Das Oberste Bundesgericht der Vereinigten Staaten hat soeben die letzten Eingaben von Sam Cayhall abgewiesen«, sagte er dramatisch, als ob die Reporter das nicht bereits gehört hätten. Eine weitere Pause, während der die Kameras klickten und die Mikrofone warteten. »Und so, nach drei Prozessen, nach neuneinhalb Jahren der Berufungen bei sämtlichen gemäß unserer Verfassung zuständigen Gerichten, wobei der Fall von nicht weniger als siebenundvierzig Richtern beurteilt wurde, wird Sam Cayhall jetzt endlich die gerechte Strafe zuteil. Er hat sein Verbrechen vor dreiundzwanzig Jahren begangen. Die Justiz mag langsam sein, aber sie funktioniert noch immer. Ich bin von vielen Leuten aufgefordert worden, Sam Cayhall zu begnadigen, aber ich kann es nicht tun. Ich kann mich nicht über die Weisheit der Jury hinwegsetzen, die ihn verurteilt hat, und ebensowenig kann ich mich mit meinem Urteil über das unserer ehrenwerten Gerichte hinwegsetzen. Und ich bin auch nicht willens, gegen den Wunsch meiner Freunde, der Kramers, zu handeln.« Eine weitere Pause. Er sprach ohne Notizen, und es war offensichtlich, daß er lange Zeit an diesen Bemerkungen gefeilt hatte.
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