Die Kammer
Donnie versuchte, ihn mit einer Stoffserviette wegzureiben. »So wichtig ist das nicht«, sagte Sam, während er seinem Bruder zusah.
Donnie putzte weiter. »Ja, du hast recht. Ich sollte jetzt gehen, Sam. Sie werden gleich hier sein.«
Die beiden Männer umarmten sich und klopften sich gegenseitig sanft auf den Rücken. »Es tut mir so leid, Sam«, sagte Donnie mit zittriger Stimme. »Es tut mir so leid.«
Sie lösten sich voneinander, hielten sich aber weiterhin bei den Schultern, beide mit feuchten Augen, aber ohne Tränen. Sie wollten nicht voreinander weinen. »Paß auf dich auf«, sagte Sam.
»Du auch. Sprich ein Gebet, Sam, okay?«
»Das werde ich. Danke für alles. Du warst der einzige, der sich um mich gekümmert hat.«
Donnie biß sich auf die Lippe und verbarg seine Augen vor Sam. Er gab Adam die Hand, brachte aber kein Wort heraus. Dann ging er hinter Sam zur Tür und verließ sie.
»Noch nichts vom Obersten Bundesgericht?« fragte Sam aus dem Nirgendwo, als glaubte er plötzlich, er hätte noch eine Chance.
»Nein«, sagte Adam betrübt.
Sam setzte sich auf den Schreibtisch und ließ die Beine baumeln. »Ich wollte, es wäre endlich vorbei, Adam«, sagte er, jedes Wort sorgfältig abmessend. »Diese Warterei ist grausam.«
Adam fiel nichts ein, was er hätte sagen können.
»In China, da schleichen sie sich von hinten an und schießen einem eine Kugel in den Kopf. Keine letzte Schüssel Reis. Kein Abschiednehmen. Kein Warten. Keine schlechte Idee.«
Adam schaute zum millionstenmal in der letzten Stunde auf die Uhr. Seit Mittag waren die Stunden manchmal verflogen, als wären sie von großen Löchern aufgesogen worden, dann hatte es plötzlich den Anschein gehabt, als stünde die Zeit still. Jemand klopfte an die Tür. »Herein«, sagte Sam leise.
Reverend Ralph Griffin trat ein und machte die Tür hinter sich zu. Er war im Laufe des Tages schon zweimal bei Sam gewesen, und er schien schwer an seiner Last zu tragen. Es war seine erste Hinrichtung, und er hatte bereits beschlossen, daß es auch seine letzte sein würde. Sein Vetter im Senat würde ihm einen anderen Job besorgen müssen. Er nickte Adam zu und setzte sich neben Sam auf den Schreibtisch. Es war kurz vor neun.
»Colonel Nugent ist draußen, Sam. Er sagt, er wartet auf Sie.«
»Dann gehen wir nicht hinaus. Lassen Sie uns einfach hier sitzenbleiben.«
»Ist mir recht.«
»Wissen Sie, Reverend, in den letzten paar Tagen ist mein Herz auf eine Weise angerührt worden, die ich nie für möglich gehalten hätte. Aber diesen Kerl da draußen hasse ich. Und ich kann nichts dagegen tun.«
»Haß ist etwas sehr Schlimmes, Sam.«
»Ich weiß. Aber ich kann es nicht ändern.«
»Um ehrlich zu sein - mir ist er auch nicht sonderlich sympathisch.«
Sam grinste den Geistlichen an und legte den Arm um ihn. Die Stimmen draußen wurden lauter, und Nugent kam ins Zimmer gestürmt. »Sam, es ist Zeit für Ihre Rückkehr in die Observierungszelle«, sagte er.
Adam stand auf. Seine Knie waren weich vor Angst, sein Magen hatte sich verkrampft, sein Herz raste. Sam dagegen war völlig gelassen. »Gehen wir«, sagte er.
Sie folgten Nugent aus dem vorderen Büro auf den engen Flur, wo einige der größten Wärter von Parchman an der Wand aufgereiht warteten. Sam ergriff Adams Hand, und sie gingen langsam nebeneinanderher. Der Reverend folgte ihnen.
Adam drückte die Hand seines Großvaters und ignorierte die Gesichter, an denen sie vorübergingen. Sie gingen durch das Zentrum des Todestraktes, durch zwei Doppeltüren und dann durch die Gittertür am Ende von Abschnitt A. Die Tür glitt hinter ihnen zu, und sie folgten Nugent an den Zellen vorbei.
Sam schaute in die Gesichter der Männer, die er so gut gekannt hatte. Er zwinkerte Hank Henshaw zu, nickte tapfer zu J. B. Guilitt hin, dem Tränen in den Augen standen, lächelte Stock Turner an. Sie lehnten alle an den Gitterstäben, mit gesenkten Köpfen und angsterfüllten Gesichtern. Sam bedachte sie mit seinem tapfersten Blick.
Nugent blieb vor der letzten Zelle stehen und wartete darauf, daß die Tür vom Ende des Flurs her geöffnet wurde. Sie klickte laut, dann glitt sie auf. Sam, Adam und Ralph traten ein, und Nugent gab das Signal, die Tür wieder zu schließen.
In der Zelle war es dunkel, sowohl die einzige Lampe als auch der Fernseher waren ausgeschaltet. Sam setzte sich aufs Bett, zwischen Adam und Griffin. Er stützte die Ellenbogen auf und ließ den Kopf hängen.
Nugent beobachtete
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