Die Kampagne
zurückgehalten. Nun, dem würde Creel jetzt ein Ende machen.
Creel rief Pender an und erklärte seinem »Wahrheitsmanager«, wie er ihn nannte, die Situation.
»Ich will nicht, dass man mir nachsagt, ich würde Einfluss auf die Zeitung nehmen; deshalb ist es Ihre Aufgabe, die Story auf den Weg zu bringen, Dick, egal wie.«
»Keine Bange, Mr. Creel. Ich weiß schon, wie ich das anstellen werde.«
Pender legte auf. Es gab eine todsichere Methode, eine Zeitung dazu zu bringen, eine Story zu veröffentlichen, auf der sie hockten: die Drohung, dass ihnen jemand zuvorkommen könnte. In Zeiten des Internets war das eine der leichtesten Übungen.
Noch am selben Abend hatte Pender auf mehreren verschiedenen, aber stark frequentierten Webseiten Einträge platziert, in denen angedeutet wurde, dass bald dramatische Neuigkeiten zum Londonmassaker enthüllt würden.
»Verblüffende Enthüllungen«, hieß es zum Beispiel in einem gefakten Blog. »Insiderbericht kurz vor Veröffentlichung.«
In einem anderen stand zu lesen, dass »die Morde in England globale Konsequenzen haben, wenn bekannt wird, was dort wirklich stattgefunden hat und warum«; außerdem bestehe eine Verbindung zu einem weiteren Mord in London. Die unglaubliche Wahrheit werde jeden Augenblick enthüllt.
Pender hatte diese Ankündigungen auf Seiten platziert, von denen er wusste, dass die meisten Zeitungen, Scribe eingeschlossen, dort stündlich auf der Suche nach Material herumtrollten.
Schließlich lehnte er sich zurück und wartete darauf, dass sie den Abzug drückten.
Es sollte nicht lange dauern.
Kevin Gallagher wurde knapp eine Stunde nach Veröffentlichung im Netz über die Behauptungen informiert. Wie alle anderen Zeitungen beschäftigte auch Scribe Leute, deren einzige Aufgabe darin bestand, im Web nach interessanten Informationen zu suchen. Doch was diese Leute ihm nun auf den Tisch legten, war nicht einfach nur interessant - es bereitete Gallagher heftige Magenschmerzen. Als seine Bosse davon erfahren hatten, fürchteten sie, man könne sie beim Wettrennen um die größte Story, an die sie sich erinnern konnten, schlagen. Daraufhin hatten sie Gallagher unmissverständlich klargemacht, dass es sein letzter Arbeitstag bei der Zeitung gewesen sei, sollte irgendjemand Scribe zuvorkommen. Und sollte Katie James einer Veröffentlichung nicht zustimmen, sei es Gallaghers Aufgabe, die Story trotzdem irgendwie rauszubringen, egal wie.
Angesichts der Drohung, dass sein Karriere - zusammen mit einem Pulitzer für die Zeitung - den Bach runtergehen könnte, tat Gallagher, was er glaubte, tun zu müssen. Dann rief er Katie an.
»Wir müssen die Story publizieren, Katie«, sagte er, »sonst kommen andere uns zuvor.«
»Das kann nicht geschehen«, erwiderte sie. »Wir sind die Einzigen, die davon wissen.«
»Ich habe hier vier Quellen im Web, die etwas anderes behaupten.«
»Kevin, wir werden nicht veröffentlichen.«
»Warum nicht?«
»Weil es nicht richtig ist.« Und weil ich Shaw mein Wort gegeben habe.
»Tut mir leid, Katie.«
»Was meinen Sie damit, es tut Ihnen leid?«, fragte sie in scharfem Tonfall, und ihr Herz schlug schneller.
»Ich habe nicht angerufen, weil ich Sie um Ihre Erlaubnis bitten wollte.«
»Kevin!«
»Die Story wird in der Morgenausgabe stehen.«
»Ich bringe Sie um!«, schrie Katie ins Telefon.
»Man wollte mich feuern. Da ist der Tod mir schon lieber. Es tut mir wirklich leid, Katie, aber ich bin sicher, es wird alles gut.« Gallagher legte auf.
Katie starrte auf die Wand ihrer Londoner Wohnung. Gott, sie brauchte was zu trinken.
Dann verflogen alle Gedanken an Alkohol. Shaw!
Katie rief ihn an. Ein Teil von ihr hoffte, er würde nicht abheben, doch er tat es.
»Ich ... Ich habe schlechte Neuigkeiten«, begann sie stockend.
Als sie fertig war, schwieg er. »Shaw?«, fragte Katie. »Bist du noch da?«
Dann war die Leitung tot. Katie hielt das nicht gerade für ein gutes Zeichen.
Am nächsten Tag erfuhr die Welt, dass die Killer von London einem Augenzeugen zufolge Russen gewesen waren, angeblich von Präsident Gorschkow geschickt. Das Motiv war derzeit noch unbekannt.
Zu sagen, dass diese Geschichte einschlug wie ein Tsunami aus Lava, wäre die Untertreibung des Jahres gewesen.
Sofort verklagten die Familien der Opfer die russische Regierung vor britischen Gerichten, obwohl diese keinerlei Jurisdiktion in der Sache hatten. Vor der russischen Botschaft in London explodierte eine kleine Bombe. Die
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