Die Kampagne
könne sie sich sehr gut vorstellen, wie sie nur mit goldener Farbe bekleidet daläge, hatte er gesagt und ihr dabei an den Hintern gepackt - was auch ihm eine krachende Gerade eingebracht hatte.
Natürlich hatte Hollywood Katies aufregendes Abenteuer auf der Jagd nach dem höchsten Preis des Journalismus verfilmen wollen und sogar Tea Leoni für die Titelrolle vorgeschlagen, doch Katie hatte alle derartigen Angebote abgelehnt. Eitelkeit oder der Wunsch nach Privatsphäre waren jedoch nicht die Gründe dafür gewesen, sondern Scham und Schuldgefühle.
Es war noch jemand in die Story involviert gewesen, jemand, der mit seinem Leben dafür bezahlt hatte, während Katie ihren kurzlebigen Ruhm hatte genießen können. Ein Kind. Ein kleiner Junge. Und irgendwie war es auch Katies Schuld gewesen. Nein, es war hauptsächlich ihre Schuld gewesen. Doch niemand kannte diesen Teil der Geschichte ... niemand außer Katie. Damals hatte sie mit den Trinken angefangen, da sie im Suff trügerischen Trost gefunden hatte. Immer wieder hatte der Fusel sich ihre Kehle heruntergebrannt und tiefe Narben auf ihrer Seele hinterlassen.
Der Name des kleinen afghanischen Jungen war Behnam gewesen. Man hatte ihr gesagt, der Name bedeute Güte und Ehrgefühl, und wie Katie herausfand, hatte der Junge beides besessen. Behnam hatte lockiges Haar gehabt und ein Lächeln, das selbst das härteste Herz hatte erweichen können, und er war voller Leben gewesen bis zu dem Augenblick, da es ihm gewaltsam geraubt worden war.
Und das war Katies Schuld gewesen. Behnam war tot, und sie lebte. Doch nicht alles von ihr hatte überlebt. Ein Teil ihrer selbst war mit Behnam gestorben. Als Katie ihren zweiten Pulitzer-Preis bekam, hätte kein Literat, wie begabt er auch sein mochte, ihre Gefühle mit den Mitteln der Sprache ausdrücken können. Es war ihre Nacht gewesen. Jeder hatte ihr versichert, wie tapfer, wie großartig und wie talentiert sie doch sei. Ihr verletzter Arm, den sie in einer Schlinge trug, und die schweren inneren Verletzungen, die die Kugel in ihrem ausgezehrten Leib angerichtet hatte, schienen ihr Geburtsrecht auf den Preis nur zu betonen. Ja, wenn jemand diesen Preis verdient hatte, dann sie. Katie hatte gelächelt, hatte alle mit ihrem gesunden Arm umarmt und den Eindruck vermittelt, dass sie mit sich und der Welt im Reinen sei.
Dann, nach Ende der Feierlichkeiten, war sie allein in ihrem New Yorker Apartment verschwunden. Als sie am nächsten Morgen aufgewacht war, lag sie auf dem Wohnzimmerboden, eine leere Flasche Jack Daniels auf dem Bauch, und sie hatte sich gehasst.
Ja, sie war mit sich und der Welt im Reinen ... sah man davon ab, dass ihre Seele zerfetzt war.
Kapitel 10
W ährend der Beerdigung machte Katie sich wortreiche Notizen für eine Story, die die Menschen in der einen Minute lesen und in der nächsten wieder vergessen würden. Auf dem Weg zurück vom Grab tauschte sie ein paar Höflichkeiten mit Leuten aus, die sie nicht kannte. Ihr Stern war so tief gesunken, dass niemand sie erkannte mit Ausnahme eines alten Kauzes von der Times, der sie mit einem abschätzigen Lächeln bedachte. Der Bursche war vierundachtzig. Er sollte sich um die Nachrufe kümmern, dachte Katie. Da hätte er es wenigstens mit Zeitgenossen zu tun. Doch es war offensichtlich, dass der Mann hier war, weil er hier sein wollte, während Katie hier war, weil sie nicht wusste, wohin sonst.
Zurück in ihrem Hotelzimmer, schrieb sie ihren Artikel. Die offizielle Biografie des verstorbenen schottischen Tattergreises lag schon seit Langem im Archiv - wie die von jedem, der auch nur ansatzweise prominent war. Mit ihrer Story würde Katie bloß ihre eigene Sicht der Dinge vermitteln. Allerdings gab es nur wenige Variationsmöglichkeiten bei der Schilderung vom Tod und der Beerdigung eines Menschen. Die Leute waren traurig; die Leute weinten. Die Leute gehen wieder nach Hause und leben weiter; der Verstorbene bleibt zwangsläufig zurück, ob er will oder nicht.
Andrew MacDougal hatte eine lange Karriere in der europäischen Politik hinter sich, war aber auch schon seit dreißig Jahren in Rente und stand somit seit Langem nicht mehr im Rampenlicht. Die ganze Story würde nicht mehr als 500 Worte umfassen und das auch nur, weil der Chef von Katies Zeitung ebenfalls Schotte war. Sollte ein Bild zu dem Artikel kommen, würde es den Verstorbenen ohne Zweifel in seinen besten Jahren zeigen, und natürlich im Kilt.
Katie schüttelte den Kopf. Sie hatte einen
Weitere Kostenlose Bücher