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Die Kampagne

Titel: Die Kampagne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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gefragt.
    »Shaw.«
    »Schotte?«
    »Nein.«
    In Wahrheit wusste Shaw gar nicht, wo seine Wurzeln lagen. Für ihn war eine Vergangenheit so gut wie die andere; wenn er eine brauchte, suchte er sich die aus, die am besten den Umständen entsprach.
    »Na, das erklärt alles«, hatte einer seiner Gegner in breitem irischem Akzent bemerkt. »Du bist ein verdammter Ire!«
    Nachdem er seine Taschen im Hotelzimmer abgelegt und sich umgezogen hatte, lief Shaw durch die 709 Morgen des Phoenix Parks, einem grünen Paradies, doppelt so groß wie der Central Park. Unterwegs kam er an den Residenzen des US-amerikanischen Botschafters sowie des irischen Präsidenten vorbei. Beide Male versäumte er zu salutieren, obwohl er für beide schon als Freiberufler gearbeitet hatte. Er legte sieben Kilometer in einer halben Stunde zurück. Das war zwar keine persönliche Bestzeit, aber immer noch ganz gut. Natürlich konnte Shaw schneller rennen, und er wusste, dass die Zeit kommen würde, da er das auch tun musste.
    Shaw kehrte wieder in sein Hotel zurück, duschte zweimal, rieb sich mit einer Lotion ein und legte ordentlich Deodorant auf. Trotzdem hätte er schwören können, dass der Gestank des Amsterdamer Kanals ihm noch immer aus allen Poren drang. Er schaute auf die Uhr. Ihm blieb noch Zeit für einen kleinen Spaziergang zum Liffey, auf den die Briten 1916 ein Kanonenboot geschickt hatten, um nach Dublin hineinzuschießen und so den Osteraufstand niederzuschlagen. Kein Wunder, dachte Shaw, dass die Iren noch immer ein bisschen empfindlich waren, was ihren Nachbarn im Osten betraf.
    Kriege ... Sie waren so leicht vom Zaun zu brechen und so schwer zu beenden. Shaw wusste das leider aus Erfahrung.
    Wieder schaute er auf die Uhr. Es war an der Zeit, sich mit Anna zu treffen.
    Anna Fischer. Geboren in Stuttgart. Studium an Universitäten in England und Frankreich. Nun lebte sie in London, es sei denn, sie war auf Vortragsreise - und genau das war sie gerade, und zwar in Dublin. Deshalb war auch Shaw in dieser Stadt. Er und Anna trafen sich häufig an den verschiedensten Orten auf Erden, doch diesmal war es etwas anderes. Und Shaw, der Mann ohne Nerven, spürte plötzlich, wie sein Herz schneller schlug und sein Atem flacher wurde. Es war wirklich Zeit.

Kapitel 12
    D ank seiner langen Schritte und seiner aufgestauten Erwartung brauchte Shaw nur zehn Minuten bis zum Trinity College. Annas Vorlesung war fast vorüber, und Shaw wartete an einem Nebeneingang auf sie, nicht weit von Maggie's Bookshop, einem Lieblingsladen von ihnen beiden.
    Ein paar Minuten plauderte Shaw mit der Besitzerin, um sich die Zeit zu vertreiben, und sah die Buchregale durch. In einem Regal entdeckte er ein Buch von Anna, das sich mit dem Ursprung faschistischer Systeme beschäftigte und den Titel trug: Polizeistaaten, eine historische Untersuchung. Die Liebe seines Lebens liebte den Spaß und war ebenso emotional wie romantisch, aber sie besaß auch einen IQ weit jenseits der Grenze zum Genie, und die Dinge, die ihr berufliches Leben beherrschten, waren bitterernst. Gab es eine großartigere Mischung, in die man sich verlieben konnte, als die von Geist und Schönheit?
    Als Anna aus dem Saal kam, umarmten sie sich. Dabei drückte Anna ihre langen Finger an Shaws Steißbein und ließ sie seine Wirbelsäule hinaufwandern. Anna fühlte stets den Schmerz in ihm; dabei war er ein Mann, der so etwas für gewöhnlich gut zu verbergen wusste.
    »Verspannt?«, fragte sie. Ihr deutscher Akzent war kaum herauszuhören. Nach der letzten Zählung sprach Anna Fischer fünfzehn Sprachen, alle akzentfrei. Nach sechs Jahren in Oxford, wo sie brillante Artikel und Bücher verfasst hatte, war sie als Simultandolmetscherin zur UNO gegangen. Schließlich hatte sie eine Stelle in einem Think-Tank in London angenommen, wo sie über internationale Politik und globale Fragen von schier unfassbarer Komplexität gearbeitet hatte - Fragen, auf die es keine leichten Antworten gab. Sie war viel klüger als Shaw, ließ es ihn aber nie spüren.
    »Ein bisschen«, antwortete er nun.
    »War es der Flug von Holland?«
    »Nein, der war toll. Ist bloß eine alte Verletzung, die ich mir beim Rugby geholt habe.« In Wahrheit war natürlich der Sprung in den verpesteten Kanal der Grund für die Verspannungen, aber das musste sie ja nicht wissen.
    »Hach! Jungs und ihre Spiele!«, tadelte sie ihn spöttisch. »Und das hier? Hast du dir das auch beim Rugby geholt?« Sie deutete auf den blauen Fleck in Shaws

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