Die Kane-Chroniken – Der Feuerthron
der Götter zu bringen gedachte, schließlich hatte Bastet uns immer wieder erklärt, dass sie nicht gut im Herbeirufen von Portalen sei. Da öffnete sich mitten in der Luft eine Tür aus reinem Schatten. Anubis trat heraus und sah wie üblich ätzend fantastisch aus in seinen schwarzen Jeans und der Lederjacke und einem weißen Baumwollhemd, das seinen Oberkörper so perfekt umschloss, dass ich mich fragte, ob er damit angeben wollte. Vermutlich nicht. Wahrscheinlich rollte er sich morgens aus dem Bett und sah einfach so makellos aus.
Wo war ich noch …? Sein Anblick machte mich jedenfalls nicht gerade konzentrierter.
»Hallo, Sadie«, sagte er. [Tja, Carter. Auch er hat mich zuerst begrüßt. Was soll ich sagen? Ich bin einfach total wichtig.]
Ich versuchte, ihn streng anzusehen. »Ach du. Hab dich in der Unterwelt vermisst, als wir um unsere Seelen gespielt haben.«
»Ich bin echt froh, dass du überlebt hast«, antwortete er. »Deine Grabrede wäre ein hartes Stück Arbeit gewesen.«
»Oh, wie witzig. Und wo warst du?«
Seine braunen Augen wurden noch melancholischer. »Ein Nebenprojekt«, erklärte er. »Aber jetzt sollten wir uns sputen.«
Er deutete auf die Tür aus Dunkelheit. Nur um ihm zu beweisen, dass ich keine Angst hatte, marschierte ich als Erste hindurch.
Auf der anderen Seite standen wir plötzlich im Thronsaal der Götter. Eine Gruppe der versammelten Gottheiten drehte sich zu uns um. Der Palast schien sogar noch prachtvoller als bei unserem letzten Besuch. Die Säulen waren höher und aufwendiger bemalt. Über den auf Hochglanz polierten Marmorfußboden wirbelten Sternbilder, es sah aus, als würden wir durch die Galaxis laufen. Die Decke strahlte wie eine einzige riesengroße Neontafel. Das Podest mit Horus’ Thron war beiseitegeschoben worden, so dass der Thron jetzt eher wie ein Beobachtungsposten wirkte und nicht mehr die Hauptsache zu sein schien.
In der Mitte des Saals leuchtete die Sonnenbarke in einem Trockendock. Die Leuchtkugelmannschaft sauste herum, reinigte den Schiffsrumpf und überprüfte die Takelage. Uräi umkreisten den Feuerthron, auf dem Re im Gewand eines ägyptischen Königs saß und Krummstab und Geißel in seinem Schoß hielt. Das Kinn auf die Brust gesenkt schnarchte er geräuschvoll vor sich hin.
Ein muskulöser junger Mann in Lederrüstung kam auf uns zu. Er hatte einen kahl geschorenen Kopf und zwei verschiedenfarbige Augen – eines silbern, das andere golden.
»Willkommen, Carter und Sadie«, sagte Horus. »Welch eine Ehre.«
Die Worte passten nicht zu seinem Tonfall, der unpersönlich und förmlich war. Die anderen Götter verbeugten sich zwar respektvoll vor uns, doch ich spürte, wie unter der Oberfläche Feindseligkeit köchelte. Alle trugen ihre beste Rüstung und sahen ziemlich eindrucksvoll aus. Sobek, der Krokodilgott (nicht gerade mein Liebling), trug ein glitzerndes grünes Kettenhemd und einen imposanten Zauberstab, aus dem Wasser floss. Nechbet sah so herausgeputzt aus, wie es einem Geier eben möglich ist; ihr gefiederter schwarzer Umhang war seidig und aufgebauscht. Doch auch wenn sie den Kopf vor mir senkte, verrieten mir ihre Augen, dass sie mich immer noch gern in Stücke gerissen hätte. Babi, der Paviangott, hatte sich die Zähne geputzt und das Fell gekämmt. Er hielt einen Rugbyball – vielleicht hatte Gramps ihn mit seiner Manie angesteckt.
Chons stand in seinem glitzernden Silberanzug da, warf eine Münze in die Luft und lächelte. Ich hätte ihm gern einen Fausthieb versetzt, doch er nickte uns zu, als wären wir alte Freunde. Selbst Seth war anwesend, in seinem teuflischen roten Diskoanzug lehnte er gegen eine Säule im hinteren Teil der Menge und hielt seinen schwarzen Eisenzauberstab. Mir fiel ein, dass er versprochen hatte, mich erst umzubringen, wenn wir Re befreit hatten. Im Augenblick machte er allerdings einen entspannten Eindruck. Er tippte zur Begrüßung an seinen Hut und grinste mich an, als genieße er mein Unbehagen.
Thot, der Gott des Wissens, hatte sich dagegen nicht feingemacht. Er trug wie üblich Jeans und einen Laborkittel, auf den alles Mögliche gekritzelt war. Er musterte mich mit seinen seltsamen Kaleidoskopaugen. Er schien der Einzige im Saal zu sein, der wegen meiner misslichen Lage tatsächlich Mitleid mit mir hatte.
Isis trat einen Schritt vor. Ihr langes schwarzes Haar hing geflochten über die Schultern ihres hauchdünnen Kleides. Hinter ihr schimmerten ihre Regenbogenschwingen. Sie verbeugte
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