Die Kane-Chroniken – Der Feuerthron
die Verbannung zu schicken.
»Lügen!« Ein asiatisch aussehender Mann in angesengtem Gewand trat einen Schritt vor. Laut Carters Vision handelte es sich vermutlich um Kwai.
»Es ist die Wahrheit«, widersprach Carter. Er steckte nicht mehr in seinem Avatar. Seine Kleider hatten sich in die normalen Menschenkleider zurückverwandelt, die wir ihm in Kairo gekauft hatten, trotzdem sah er irgendwie ziemlich beeindruckend und selbstbewusst aus. Als er den Leopardenumhang des Obersten Vorlesepriesters in die Höhe hielt, konnte ich spüren, wie eine Welle des Entsetzens durch den Saal lief.
»Desjardins hat an unserer Seite gekämpft«, erklärte Carter. »Er hat Menschikow besiegt und geächtet. Er hat sein Leben geopfert, um uns ein wenig Zeit zu verschaffen. Doch Apophis wird zurückkommen. Desjardins wollte, dass ihr davon erfahrt. Mit seinen letzten Worten befahl er mir, euch diesen Umhang zu zeigen und die Wahrheit zu erzählen. Vor allem dir, Amos. Er wollte, dass du weißt – der Weg der Götter muss wieder eingeführt werden.«
Das Fluchtportal des Feindes wirbelte noch immer. Doch niemand hatte es bisher betreten.
Die Frau, die es herbeigerufen hatte, spuckte auf den Boden. Sie trug ein weißes Gewand und hatte eine schwarze Punkfrisur. Sie brüllte ihre Genossen an: »Worauf wartet ihr noch? Sie bringen uns den Umhang des Obersten Vorlesepriesters und erzählen uns diese abstruse Geschichte. Sie sind Kanes! Verräter! Wahrscheinlich haben sie Desjardins und Menschikow selbst umgebracht.«
Amos’ Stimme donnerte durch den Großen Saal: »Sarah Jacobi! Gerade du solltest wissen, dass das nicht stimmt. Du hast dein Leben dem Studium des Chaos gewidmet. Du kannst spüren , dass Apophis freigelassen wurde, oder nicht? Und dass Re zurückgekehrt ist?«
Amos deutete auf die Glastüren, die auf die Veranda führten. Ich weiß nicht, woher er das wusste, ohne hinzusehen, aber genau in diesem Augenblick sank die Sonnenbarke herab und blieb in Philipps Swimmingpool liegen. Es war eine ziemlich beeindruckende Landung. Zia und Walt standen links und rechts des Feuerthrons. Sie hatten es geschafft, Re so weit aufzurichten, dass er – trotz des nach wie vor blöden Lächelns auf seinem Gesicht – mit dem Krummstab und der Geißel ein wenig majestätischer wirkte.
Bastet, die starr vor Schreck auf der Terrasse gestanden hatte, fiel auf die Knie. »Mein König!«
»Hal-llö-ö-ö-chen!«, trällerte Re. »Und tschüs!«
Mir war nicht klar, was er damit sagen wollte, doch Bastet sprang plötzlich erschrocken auf.
»Er wird in den Himmel aufsteigen!«, erklärte sie. »Walt, Zia, springt von Bord!«
Das taten sie, gerade noch rechtzeitig. Die Sonnenbarke begann zu leuchten. Bastet wandte sich zu mir und rief: »Ich werde ihn zu den anderen Göttern begleiten! Macht euch keine Sorgen! Bin bald zurück!« Sie sprang an Bord, die Sonnenbarke erhob sich in den Himmel und verwandelte sich in einen Feuerball, der sich kurz darauf mit dem Sonnenlicht vermischte und nicht mehr zu sehen war.
»Hier habt ihr euren Beweis«, verkündete Amos. »Die Götter und das Lebenshaus müssen zusammenarbeiten. Sadie und Carter haben Recht. Jetzt, da die Schlange ihre Fesseln gesprengt hat, wird sie nicht mehr lange in ihrer Verbannung bleiben. Wer wird sich uns anschließen?«
Einige feindliche Magier warfen ihre Zauberstäbe und Zaubermesser zu Boden.
Sarah Jacobi, die Frau in Weiß, knurrte: »Die anderen Nomoi werden deinen Anspruch auf das Amt des Obersten Vorlesepriesters niemals anerkennen, Kane. Du bist von der Macht Seths vergiftet! Wir werden alle informieren. Sie sollen erfahren, dass ihr Desjardins umgebracht habt. Sie werden euch niemals folgen!«
Sie sprang durch das Portal. Kwai, der Mann in Blau, musterte uns verächtlich, dann sprang er Jacobi hinterher. Drei weitere Magier folgten seinem Beispiel. Wir ließen sie in Frieden ziehen.
Voller Ehrfurcht nahm Amos Carter den Leopardenumhang aus der Hand. »Armer Michel.«
Alle versammelten sich um die Thot-Statue. Erst da wurde mir bewusst, wie schlimm der Große Saal zugerichtet war. Wände waren eingestürzt, Fenster zerbrochen, Relikte zertrümmert und Amos’ Musikinstrumente waren zur Hälfte geschmolzen. Zum zweiten Mal innerhalb eines Vierteljahres hatten wir das Brooklyn House fast zerstört. Das war bestimmt ein Rekord. Trotzdem wäre ich am liebsten jedem im Raum um den Hals gefallen.
»Ihr wart alle großartig!«, rief ich. »Ihr habt den Feind
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