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Die Kanonen von Navarone

Die Kanonen von Navarone

Titel: Die Kanonen von Navarone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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das Geräusch kam nicht wieder, und ihm wurde bewußt, daß kein Geräusch, sondern gerade die lautlose Stille in dieser Höhle ihn aufgeschreckt und zur Wachsamkeit ermahnt hatte. Denn die Nacht war auf einmal in Schweigen gehüllt, sehr still: unten in der Stadt fiel kein Schuß mehr.
    Leise schimpfte er vor sich hin. Zu lange schon hatte er mit offenen Augen geträumt, und die Zeit war so knapp. Sie mußte knapp werden – da Andrea den Rückzug angetreten hatte, mußten die Deutschen sehr bald merken, daß sie getäuscht worden waren. Und dann erschienen sie bestimmt in größter Eile – und wo sie erscheinen würden, daran war nicht zu zweifeln …
    Rasch ließ Mallory seinen Rucksack von den Schultern gleiten und zog das dreißig Meter lange, mit Draht verstärkte Seil hervor. Er mußte ihren Fluchtweg sichern, das war erstes Gebot.
    Das Seilbündel um den Arm gelegt schritt er vorsichtig weiter, um einen Gegenstand zu finden, an dem er es sicher befestigen konnte. Kaum hatte er drei Schritte getan, als er mit der Kniescheibe gegen etwas Hartes stieß. Er tastete das Hindernis mit der freien Hand ab und spürte gleich, was es war: ein hüfthohes eisernes Geländer. Es lief über die ganze Breite der Höhlenmündung. Natürlich! Selbstverständlich brauchten sie hier eine Schranke, damit keiner in den Abgrund stürzen konnte, besonders bei Nacht. Ein Jammer, daß er nachmittag den Feldstecher aus dem Gehölz nicht mitgenommen hatte – der war in der Dunkelheit unbemerkt liegengeblieben. Den hätte er nicht vergessen dürfen.
    Rasch tastete er sich, nach links weiter, bis ans Ende des Geländers, band das Seil an den Fuß des letzten Geländerpfostens vor der Seitenwand und fierte es ab, während er behutsam soweit vortrat wie möglich. Unter seinen Füßen lag jetzt die sechsunddreißig Meter hohe Felswand, die steil in die runde Bucht des Hafens abfiel.
    Rechts, weit draußen auf dem Meer, entdeckte er einen formlosen Schatten, es konnte Kap Demirci sein. Und genau vor sich, jenseits der Straße von Maidos, deren Wasser wie dunkler Samt schimmerte, sah er in der Ferne Lichter funkeln – ein Maßstab dafür, wie sicher der Feind sich in diesem Gebiet fühlte, sonst hätte er kein Licht geduldet. Doch das war wohl damit zu erklären, daß er die erhellten Fenster der Fischerhäuser nachts als feste Richtpunkte für die großen Geschütze benutzen konnte. Zu seiner Linken, überraschend nahe, in der Waagrechten kaum zehn Meter entfernt, aber weit unter seinem Standplatz, konnte Mallory die Endkante der äußeren Festungsmauer ausmachen, die am Seitenrand der Klippe aufhörte. Dahinter lagen die Häuser am Westrand des Marktplatzes, und hinter ihnen die Stadt, die sich scharf nach unten und außen zog, zuerst südlich, dann in westlicher Richtung, eng an die Krümmung der Hafenbucht geschmiegt. Und über sich? Nein, über sich sah er nichts: das phantastische Felsdach verdeckte beinah den halben Himmel, doch auch unter ihm war die Dunkelheit undurchdringlich, die Wasserfläche des Hafens tintenschwarz. Er wußte, daß in der Bucht verschiedene Schiffe lagen: griechische Kajiken und deutsche Barkassen, doch die blieben für ihn so unsichtbar, als wären sie tausend Meilen entfernt.
    Sein kurzer Rundblick hatte knapp zehn Sekunden gedauert, aber jetzt wartete er nicht mehr. Schnell bückte er sich, knotete eine Doppelschlinge in das Ende des Seils, die er dicht an die Felskante legte. Wenn es nötig werden sollte, konnten sie die mit einem Tritt in die Dunkelheit befördern. Sie hing dann, nach seiner Schätzung, noch zehn Meter über dem Wasser, so daß sie mit Barkassen oder anderen Booten, die sich im Hafen bewegen mochten, nicht in Berührung kam. Dieses letzte Stück konnten sie sich fallen lassen. Vielleicht gab es dabei Knochenbrüche, wenn sie auf ein Schiff stürzten, doch das mußte riskiert werden. Noch einmal blickte er schaudernd in die höllische Finsternis. Er betete im stillen, mit Miller nicht diesen Fluchtweg nehmen zu müssen.
    Dusty Miller kniete auf den Planken am Kopfende der in den Munitionsraum führenden Leiter, eifrig beschäftigt mit Drähten, Zündern, Sprengkapseln und verschiedenen Sprengstoffen. Als Mallory durch den Tunnel zurückgelaufen kam, richtete er sich auf und sagte: »Mit diesen Sachen ist für die Herrschaften bestens gesorgt, Boß.« Er stellte die Zeiger des Uhrwerks am Zeitzünder ein, lauschte wohlgefällig auf das kaum wahrnehmbare Summen, dann ließ er sich

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