Die Kanzlerin - Roman
ausging. Jemand hat sich vergeigt. Und nun dirigiert er Himmelschöre. Hoffentlich hat Elton John ein Alibi. Wasche mir jetzt die Hände. Pfui und juhui, Rotkehlchen.«
S ilikon-Susi beobachtete, wie Rotkehlchen aus dem Haus kam, sich umsah, eine Zigarettenpackung aus der Tasche nahm, sie zerknüllte, auf den Boden warf, ein paar Schritte machte, zurückkehrte, die Packung aufhob, in die Tasche schob und auf ziemlich hohen Absätzen schliesslich wegging. Wenn man so klein ist, geht das so, so hochtrabend, dachte Silikon-Susi, aber das Geklapper hörte sie gern.
Praktisch, dass es hier so viele Parkplätze gab; ihr Auto stand wenige Meter nur entfernt von dem Café, in dem sie sass und auf die Taxe mit Figo wartete. Er kam etwa zwanzig Minuten später, und Silikon-Susi erkannte ihn sofort. Der Typ aus der Disco, der Regierungssprecher. Er blickte sich kurz in alle Richtungen um und betrat dann das Haus.
»Cookie, brauche Figo nicht zu verfolgen. Kenne ihn. Wir alle kennen ihn. Figo alias Regierungssprecher.«
»Susi, warte, bis er rauskommt. Keine Verfolgung. Alles klar. Danke dir. Cookie.«
Sah er bleich aus, als er in die Taxe stieg, die auf ihn gewartet hatte? Vielleicht war es das fahle Licht der Leuchtreklame, die Figo so milchig machte. Silikon-Susi bestellte sich noch einen Espresso und dachte nach. Wer Figo war, das wusste Cookie jetzt und sie auch. Aber wer war Cookie?
»Lieber Cookie, du weisst viel. Vielleicht sogar alles. Aber ich weiss nicht viel und vielleicht auch gar nichts. Aber etwas möchte ich jetzt gern von dir wissen: Wer bist du, Cookie? Solltest du allerdings der Allmächtige sein, ziehe ich meine Frage zurück. Silikon-Susi, die heimliche Beterin.«
Sie trank einen dritten Espresso, dann meldete sich Cookie mit einem Foto: die Kanzlerin mit dem Dalai-Lama.
» F rau Male, war online. Du nicht. Was vielleicht auch besser ist. Besser, ich ziehe mich zurück. Du lässt mich warten. Du lässt mich zappeln. Du machst einen Hampelmann aus mir. Du vertröstest mich. Ich wollte unsere Phantasien realisieren, du nicht. Schade. Will nicht länger stören. Bin kein Aufsässiger. Du bist mich los. Wir waren verabredet, aber du bist nicht gekommen. Du hast viel zu tun, und dein nächster Patient wartet sicher schon auf dich. Frau Male, war gut mit dir, aber jetzt ist es besser so: Explodiere noch einmal mit dir und sage dir adieu, Jenny. Dein Schwanz, dein Controller, dein Filip.«
Loderer war todtraurig und gleichzeitig so aufgebracht, dass er nicht einschlafen konnte. Sie hatte ihn versetzt. Sie war nicht online, und auch auf seine SMS hatte sie nicht reagiert. Das konnte er nicht verstehen. Er war so wütend, so enttäuscht. Und er war sicher, dass sie sich vergnügte in diesem Augenblick, mit wem auch immer. Sie hatte ihn besetzt. Sie frass seine Gedanken auf. Sie hielt ihn so auf Trab, dass seine Muskeln übersäuerten. Sein Kopf war ein Schwanz. Wenn er etwas dachte, dann an diese Sau. Und jetzt vögelte sie, das spürte er. Ich existiere nicht für sie, dachte er.
Er ass fast nichts mehr, aber verliebt war er nicht. Die Abschiedsmail war richtig. Sie war sich ganz sicher. Aber sie hatte sich verzockt. Ich spiele ernsthaft, dachte Loderer, sie nicht.
D onnerstag, 7. August
7.30
Die Kanzlerin konnte nicht schlafen. Sie hatte vier Zigaretten geraucht, hustete und simste: »Lieber Theoderich. Wenn ich zutreffend informiert bin, spielst du mit fünf Assen und intrigierst gegen mich. Triffst Absprachen mit Glock und Schiller. Was ich natürlich nicht glaube, weil ich dich kenne. Du würdest dich auchnie an einem Komplott beteiligen gegen mich. Auch das glaube ich nicht. Aber wenn du mir etwas zu sagen hast, dann sag es jetzt.«
7.45
»Controller, konnte dir nicht mehr schreiben gestern. Kranke Kids, unerwarteter Besuch, ich wollte dich nicht verletzen. Ich will dich. Dein Hürchen Jenny.«
8.15
»Xenia, als Chef der Liberalen Partei habe ich die Pflicht, alle möglichen Optionen für unsere Partei auszuloten. Dass du allerdings an meiner Loyalität zweifelst, enttäuscht mich zutiefst. Dein Theoderich Pfeiffer.«
Die Kanzlerin speicherte die Nachricht ab. Vielleicht, dachte sie, habe ich ja schon bald genügend Zeit, um meine Memoiren zu schreiben. Das Kapitel Theoderich allerdings hatte sie sich anders vorgestellt. Der Liberalenchef verlor kein konkretes Wort, schlug kein Treffen vor, und die Kürze seiner SMS war eine Frechheit.
»Lieber Herr Kranich, rufen Sie mich an.
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