Die Kanzlerin - Roman
Andererseits gab es keinen vergleichbaren Anlass. Auf dieser Grundlage würde er mit Lukas Falter, dem Chef des Inlandsgeheimdienstes, reden müssen und auch mit Thilo Hamm vom Bundesamt für Polizei fedpol. Zehn Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes wollten die Deutschen schicken, fünf Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes und zig Personenschützer. Item. Das war abzustimmen. Und im Übrigen hatte er offiziell Ferien. Klausen setzte sich ins Café Fédéral und trank ein Glas Weisswein. Bern war eine schöne Stadt und der Bärenplatz der schönste Platz der Schweiz.
9.45
Jodler war nervös, und als es klingelte, öffnete er einem offensichtlich ebenfalls nervösen Cookie-Mitglied die Tür.
»Ich bin Anarchisterix.«
»Jodler.«
Die beiden musterten sich kurz, ohne dabei spontan auf Auffälligkeiten zu stossen, die besonders positiv oder negativ hervorstachen.
Anarchisterix kam sofort zur Sache. »Wo sind die Schläuche?«, fragte er, und Jodler ging mit ihm in die Küche. »Wir müssen mit Schutzanzügen arbeiten«, sagte Anarchisterix, »und diese Schläuche sind unbrauchbar.«
Jodler sagte nichts und setzte einen Kaffee auf.
Wenige Minuten später klingelte es erneut, und ein Pärchen stand vor der Tür. »Wir wollen zu Jodler.«
»Und wer will zu Jodler?«
»Clara«, sagte die Frau.
»Tricolor«, sagte der Mann.
Jodler hatte nur drei Kaffeetassen und keine Sahne.
»Ich trinke keinen Kaffee«, sagte Tricolor, und Jodler dachte: autoritär, beherrscht, fanatisch, ein robuster Typ, und sah in Tricolors graugrüne Augen. »Und?«, fragte dieser.
»Und was?«
»Und was siehst du in meinen Augen?«
Clara, die Schwarzhaarige, sagte gar nichts. 1,70, ruhige Persönlichkeit, helle, durchschimmernde Haut, kluges, aber blasses Gesicht.
»Du brauchst einen Kaffee, trink«, sagte Jodler, und Clara nahm einen Schluck.
»Wann kommen Ecstasy und Hardcore?«, fragte Tricolor.
»Heute«, sagte Jodler und beobachtete das Fingerspiel von Anarchisterix, der eine Zweieuromünze über die Fingerkuppen rollen liess, hin und zurück und noch mal, und dann öffnete er plötzlich die Hand und fasste die Münze mit einem fast lautlosen Klatschen.
»Wir müssen sofort loslegen«, sagte Anarchisterix. »Erster Punkt: Materialbeschaffung. Clara, du bist Anästhesistin. Du kennst sicher ein paar Leute in Schweizer Krankenhäusern, in Herisau, St. Gallen, Bern oder Zürich.«
»Kenne ich.«
»Wir brauchen einen Behälter mit Lachgas.«
»Grosse Spitäler haben meist nur noch Lachgas in grossen Containern«, sagte Clara. »Aber weil es immer wieder Fälle gibt, in denen Patienten beim Transport auf Lachgas angewiesen sind, gibt es auch kleinere Behälter. Einliterflaschen.«
»Dann besorg mir eine.«
»Das Lachgas ist aber flüssig«, sagte Clara, und Anarchisterix fluchte.
»Das wird kompliziert«, sagte er. »Dafür brauchen wir ein Spezialventil.«
»Kein Problem«, sagte Jodler, »für einen Elektrotechniker.«
»Zweitens«, sagte Anarchisterix, »ich werde mir heute CO besorgen.«
»Wo?«, fragte Clara.
»Beim Gaslieferanten, bei der Carbagas AG.«
»Und wie?«
»Telefonisch«, sagte Anarchisterix, und Clara lächelte: »Das giftigste Gift, telefonisch bestellt, von einem Unbekannten?«
»Jodler, du besorgst die richtigen Ventile und Schläuche.«
»Die Sicherheitslage checke ich«, sagte Tricolor.
Anarchisterix nahm sein Handy und ging hinaus.
10.00
»Frau Male, bist du online?«
10.06
»Bist du noch da, Controller?«
10.07
»Schade. Jetzt hätte ich Zeit. Küsse von Male Jenny.«
10.08
Mist. Er musste mal, und sie hatte sich schon wieder ausgeloggt.
»Kannst du heute Abend? Bin ab 22 Uhr online. Wir müssen reden. Küsse dich, Controller.«
10.15
Die Ankunft von Hardcore und Ecstasy war etwas chaotisch, und genau diesen Eindruck hatte Jodler von dieser Ecstasy, die vielleicht nicht schön war, aber unglaublich erotisch. Etwasverhühnert, rostrote, mittellange Haare, aufgesetzte riesengrosse rote Fingernägel, aber die Figur stimmte. Sie kannte zwar keinen, umarmte aber jeden. Clara hätte darauf wohl eher unterkühlt reagiert, aber sie war schon unterwegs. Hardcore hatte ein paar Dosen Bier mitgebracht, setzte sich wortlos an den Küchentisch und becherte. Ein Glatzkopf. Leeres Gesicht, dachte Jodler, aber dann bemerkte er, wie ihn Hardcore mit hellwachen blauen Augen fixierte.
»Wir sind ein Team«, sagte Jodler, »und ziehen hier keine Show ab.«
Hardcore drückte ihm eine
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