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Die Kanzlerin - Roman

Die Kanzlerin - Roman

Titel: Die Kanzlerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lenos Verlag
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alle Fremdpersonen draussen waren. Die Kollegen vom Notfall hatten die Scheiben der Gondel eingeschlagen, was sicher richtig war, wenn sich die These von der Kohlenmonoxidvergiftung erhärten sollte. Sie schaute sich um und sprach sich gleichzeitig mit ihren Kollegen ab. Sie würden systematisch vorgehen und koordiniert, aber nicht arbeitsteilig. Jeder Gerichtsmediziner machte das Gleiche. Es ging also darum, die Leichen aufzuteilen. Weil einige Körper gleich im Eingangsbereich der Gondel lagen, entschied sie, dass sich das Team von vorn und, aufgeteilt in zwei Gruppen, nach links und rechts vorarbeiten sollte. Untersuchte Personen konnten dann sofort abtransportiert und in die Zürcher Gerichtsmedizin überführt werden. Spezielle Laboruntersuchungen und die Obduktionen würden alle in Zürich gemacht. Hier vor Ort ging es nur darum, eine Legalinspektion zu machen, also eine äussere Leichenschau, und erste Blutproben auszuwerten.
    Sonja Bischoff hatte keine Zeit gehabt, sich vorzustellen, was sie hier antreffen würde, und war froh, dass die Polizeifotografen noch ein paar Minuten brauchten für ihre Bilder. Obwohl es erfahrungsgemäss so war, dass sie das Grauen auch bedrückendster Tatorte gut aushalten konnte, wenn sie einmal konzentriert bei der Arbeit war. Aber dies war ein sehr ungewöhnlicher Tatort, fast etwas irreal, und zudem war sie gespannt auf die Untersuchung der Toten, deren Namen sie natürlich teilweise kannte. So aufgeregt hatte sie den Institutsdirektor jedenfalls noch nie erlebt, und auch sie verspürte ein seltsames Gefühl, radierte das Wort »faszinierend« jedoch in ihrem Kopf sofort wieder aus.
    Sie war eine leidenschaftliche Gerichtsmedizinerin, und als sieden Feuerlöscher an der Decke über der Gondelbahntheke sah, wusste sie sofort, dass dies die Quelle war für das offenbar ausgeströmte Gas. Auf ihre Anweisung hin versuchten zwei Polizisten, den Feuerlöscher von der Decke zu holen, was aber misslang. Er klebte fest, und zwar so fest, dass es zwei weitere Einsatzkräfte brauchte, um die Kraft der Magnete zu brechen, mit denen er montiert worden war. Simon Gollwitz beobachtete die Aktion, und für ihn war der Fall klar. Kein normaler Feuerlöscher war derart befestigt, und entsprechend dauerte es nur kurze Zeit, bis die auf Kampfstoffe spezialisierten Chemiker des Labors Spiez den Feuerlöscher im Materialraum der Bergstation untersuchten.

    Sonja Bischoff öffnete ihren Koffer, der von der Zürcher Rechtsmedizin standardisiert ausgerüstet wird: zwei Pinzetten, eine Schere, viele Handschuhe, Tupfer für Abstriche, Nadeln und Blutröhrchen, ein Thermometer und ein Reflexhammer. Wobei der Reflexhammer nicht in erster Linie dazu diente, möglicherweise noch lebende Personen ausfindig zu machen, sondern der Bestimmung des Todeszeitpunktes. Die zweite entscheidende Aufgabe war die Bestimmung der Todesart, also die Beantwortung der Frage, ob jemand natürlich-innerlich oder durch nichtnatürliche Umstände zu Tode gekommen war.
    Bei einer Leichenschau ist jede Leiche auszuziehen, vollständig, das ist das Erste. Die Oberärztin erkannte ihn sofort. Das war der deutsche Umweltminister, das war Engel.

    »Es ist 9 Uhr, Sie hören die Nachrichten von Schweizer Radio DRS im Rahmen einer Sondersendung, in der wir Sie über das Attentat informieren, das heute Morgen kurz vor 7 Uhr auf die Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland sowie Mitglieder ihres Kabinetts verübt wurde. Die Kanzlerin befand sich mit etwa 25 Personen auf dem Weg von der Schwägalp auf den Säntis. LautBeobachtungen von Schweizer Militärpiloten kam es in der Säntisbahn wenige Hundert Meter vor dem 2500 Meter hohen Gipfel zu einer Tragödie. Aus noch ungeklärten Ursachen verloren alle Insassen, darunter auch der Schweizer Nico Glanzmann, Chef der Deutschen Bank, das Bewusstsein. Als die Gondel auf dem Gipfel eintraf, konnten die avisierten Notärzte nur noch den Tod der Passagiere feststellen. Der Schweizer Bundesrat hat einen Krisenstab einberufen, der eng mit dem Berliner Krisenstab zusammenarbeitet.
    Ich stehe jetzt in Verbindung mit unserem Reporter Peter Maurer, der sich im Moment auf der Schwägalp befindet, an der Talstation der Säntisbahn.«
    »Etwa 25 Menschen sind heute früh auf der Fahrt zum Säntis in der Seilbahn ums Leben gekommen, das hat das Verteidigungsdepartement in einem ersten Kommuniqué bestätigt. Unter den Toten befindet sich neben der Kanzlerin und mehreren namentlich noch nicht bekannten

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