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Die Kanzlerin - Roman

Die Kanzlerin - Roman

Titel: Die Kanzlerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lenos Verlag
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schlimm für ihn war, weil er ja nur wenig Sprit säuft. Im Übrigen, Herr Kranich, warum starren Sie auf meine Fingernägel?«
    »Sie haben sie weiss lackiert.«
    »Und? Warum sollte es der Kanzlerin erlaubt sein, sich die Nägel hellrosa, rosarot, rot oder dunkelrot zu färben, aber nicht weiss? Passt doch gut zum ewigen Schnee, finden Sie nicht?« Weil Kranich nichts sagte, redete die Kanzlerin weiter: »Ich plappere manchmal ganz gern und mit wenig Hintergedanken, speziell in der Natur kann ich mich so prima entspannen. Reden, ohne sofort auf etwas festgenagelt zu werden, das tut gut. Aber wenn ich Sie so sehe, Johannes: Sie sind ein miserabler Spaziergänger. Sie bewegen sich hier auf dieser Alp wie auf dem Ku’damm. So schnittig. Wie auf Schnäppchenjagd. Und Sie haben jetzt zwar wieder Farbe im Gesicht, aber schauen missmutig drein. Hat meine Bemerkung vom ewigen Schnee bei Ihnen vielleicht unerwünschte Assoziationen ausgelöst? Koksen Sie immer noch, Kranich?«
    »Nein«, sagte er, und sie gingen weiter, langsamer jetzt und in Gedanken versunken, beide.
    »Sagen Sie mir offen, Kranich: Finden Sie weisse Fingernägel verrucht?«
    »Nein«, sagte er.
    »Aber ich«, sagte sie. »Und ebendarum habe ich mich heute morgen für Weiss entschieden. Mal sehen, wie Ihr Bundesrat darauf reagiert. Ich nehme an, kommentarlos. Oder könnte das in diesem verschwiegenen Gremium ausnahmsweise zu Diskussionen führen?«
    »Gabriela Hell hatte auch weiss lackierte Fingernägel, als man sie fand«, sagte Kranich.
    »Sie verderben mir den Tag, Johannes. Daran hatte ich nicht gedacht und will ich auch nicht denken. Und Ihnen würde es möglicherweise auch bessergehen, wenn Sie gelegentlich etwas weniger denken würden. Geniessen Sie also die Natur, und halten Sie den Schnabel. Im Übrigen sehe ich Alpenrosen.«

    Caspers glaubte, nur ganz kurz eingenickt zu sein, aber als er auf die Uhr schaute, war eine gute halbe Stunde verstrichen, und der Himmel dröhnte. Flieger, Hubschrauber: der Himmel war aufgeregt, und die Nervosität steckte ihn an. Er formte seine Hände zu einem Trichter und rief: »Hallo, Frau Kanzlerin«, aber sie war noch nicht in Hörweite.
    Erst jetzt realisierte Caspers, dass etwas faul war. Eine Seilbahn kam herunter, er winkte, aber die Bahn stoppte nicht, obwohl sie leer war. Minuten später fuhr eine Gondel den Berg hoch, und wieder ruderte Caspers mit beiden Armen: Halt auf Verlangen, doch die völlig überfüllte Seilbahn hielt ebenfalls nicht an. Caspers sah Feuerwehrleute in der Kabine, und auch die übrigen Fahrgäste schienen keine Touristen zu sein. Weil alles so verdammt schnell gegangen war, hatte er sein Funkgerät in der Kabine liegenlassen.
    Caspers schaute zum Gipfel und sah, wie Hubschrauber landeten und starteten. Was zum Teufel war da los?
    Als ein Militärhubschrauber über seinen Kopf donnerte, fuchtelte Caspers erneut mit den Armen, aber die Maschine drehte ab. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als auf die Kanzlerin und Kranich zu warten.
    »Caspers, wo ist unsere Seilbahn?«, fragte sie.
    »Nicht da«, sagte er.
    »Da ist ja viel Betrieb, in diesen Schweizer Alpen.« Dann schwieg sie, und alle drei schauten zum Himmel. Sie wussten, dass etwas passiert war, aber was?
    »Machen wir uns schlau«, schlug die Kanzlerin vor. »Steigen wir zur Talstation ab. Was zwar eine etwas längere Wanderung wird, Herr Kranich, aber wenn es nicht mehr geht, wird Caspers Sie tragen.«
    »Zur Schwägalp absteigen?«, fragte Kranich entsetzt.
    »Wir können hier nicht überwintern, Kranich, und weil wir Menschen sind und keine Kühe, brauchen wir auch keinen Hirten, der uns ins Tal geleitet. Also schnüren Sie sich die Schuhe richtig zu.«

L oderer hatte viel geredet beim Frühstück. Jenny hatte Salate verschlungen, Lachs, Brötchen und sehr viel Kaffee getankt. Sie war zufrieden, aber schweigsam, also redete er und fragte gelegentlich: »Oder langweile ich dich?«
    »Du langweilst mich nicht, Filip.«
    »Was möchtest du heute unternehmen?«
    »Keine Ahnung.«
    Er machte ein paar Vorschläge, aber eigentlich wollte er über den Altersunterschied sprechen. »Ich bin ein ziemlich alter Mann«, begann er.
    »Und mir ist das ziemlich egal«, sagte sie.
    Was Loderer nicht hinderte, längere Ausführungen zu machenzum Thema. Er war unsicher. Er wusste nicht, was Jenny von ihm dachte. »Bist du zufrieden?«, fragte er.
    »Bis jetzt läuft es gut«, sagte sie.
    »Ich will keine Vorträge halten«, sagte Loderer

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