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Die Kapuzinergruft

Die Kapuzinergruft

Titel: Die Kapuzinergruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Roth
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Nützliches. Aber es war uns schon nach einer Woche klar, daß er uns nur arbeiten ließ, aus Taktgefühl und auch, damit wir in dieser Einsamkeit nicht etwa Händel mit ihm oder untereinander begännen. Er hatte recht. Er schnitzte Stöcke und Pfeifen aus dem harten, starken Gestrüpp, das in der Gegend wächst und das er, ich weiß nicht mehr, warum, Nastorka nannte. Er rauchte alle Woche eine neue Pfeife ein. Niemals vernahm ich einen Scherz von ihm. Manchmal nahm er einen Moment die Pfeife aus dem Mund, um einem von uns zuzulächeln. Alle zwei Monate etwa kam ein Mann aus dem nächsten Flecken und brachte eine alte russische Zeitung. Baranovitsch selbst sah sie nicht an. Ich lernte viel aus ihr, aber über den Krieg konnte sie uns freilich nicht informieren. Einmal las ich, daß die Kosaken in Schlesien einmarschieren. Mein Vetter Joseph Branco glaubte es, Manes Reisiger nicht. Sie begannen sich zu streiten. Sie wurden zum erstenmal böse aufeinander. Endlich hatte auch sie jener Wahnsinn erfaßt, den die Einsamkeit erzeugen muß. Nun griff Joseph Branco, jünger und heftiger, wie er war, nach dem Bart Reisigers. Ich wusch gerade die Teller in der Küche. Als ich den Streit hörte, trat ich mit den Tellern in der Hand ins Zimmer. Meine Freunde hörten mich weder, noch sahen sie mich. Zum erstenmal, obwohl ich vor der Heftigkeit meiner damals geliebten Menschen erschrocken war, traf mich auch eine jähe Einsicht; ich kann wohl sagen, sie habe mich getroffen, von außen her gleichsam: die Einsicht nämlich, daß ich nicht mehr zu ihnen gehörte. Ein ohnmächtiger Schiedsrichter, stand ich vor ihnen, nicht mehr ihr Freund, und obwohl ich mir darüber im klaren war, daß der Wahn der Wüste sie ergriffen hatte, glaubte ich doch daran, daß ich gegen ihn bestimmt gefeit wäre. Eine gehässige Gleichgültigkeit erfüllte mich. Ich ging zurück in die Küche, die Teller waschen. Sie tobten. Aber als wollte ich sie in ihrem irrwitzigen Kampf nicht stören, wie man etwa nebenan schlafende Menschen nicht wecken mag, legte ich diesmal behutsam, wie bis jetzt noch nie, einen Teller auf den andern, damit sie nicht klapperten. Nachdem ich mit meiner Arbeit fertig geworden war, setzte ich mich auf den Küchenschemel und wartete ruhig.
    Eine geraume Weile später kamen sie auch heraus, kamen sie gleichsam zum Vorschein, einer hinter dem anderen. Sie beachteten mich auch jetzt nicht. Es schien, als wollte mir jeder von den beiden, und jeder für sich, da sie doch Feinde untereinander waren, seine Geringschätzung dafür bezeugen, daß ich mich in ihren Kampf nicht eingemischt hatte. Jeder von beiden machte sich an irgendeine überflüssige Arbeit. Der eine schliff die Messer, aber es sah gar nicht bedrohlich aus. Der andere holte Schnee in einem Kessel, zündete das Herdfeuer an, warf kleine Späne hinein, setzte den Kessel auf den Herd und sah angestrengt in die Flamme. Es wurde gemächlich warm. Die Wärme strahlte das gegenüberliegende Fenster an, die Eisblumen wurden rötlich, blau, violett zuweilen, vom Widerschein des Feuers. Die vereisten Wassertropfen auf dem Boden, knapp unter dem Fenster, begannen zu schmelzen.
    Der Abend drang herein, das Wasser brodelte im Kessel. Bald kam Baranovitsch von einer seiner Wanderungen zurück, die er an manchen Tagen, man wußte nicht, aus welchen Gründen, zu unternehmen pflegte. Er trat ein, den Rock in der Hand, die Fäustlinge steckten im Gürtel. (Er hatte die Gewohnheit, sie vor der Tür auszuziehen, eine Art Höflichkeit.) Er gab jedem von uns die Hand, mit dem gewohnten Gruß: »Gebe Gott Gesundheit.« Dann nahm er die Pelzmütze ab und bekreuzigte sich. Er ging in die Stube hinein.
    Später aßen wir, wie gewöhnlich, zu viert. Keiner sprach ein Wort. Man hörte den Pendelschlag der Kuckucksuhr, die an einen zufällig aus fremden Landen verirrten Vogel denken ließ. Man wunderte sich, daß sie nicht erfroren war. Baranovitsch, der an unser allabendliches Geschwätz gewohnt war, forschte verstohlen in unsern Gesichtern. Er erhob sich endlich, plötzlich, nicht so langsam wie sonst und gleichsam unzufrieden darüber, daß wir ihn heute enttäuscht hatten, sagte: »Gute Nacht!« und ging ins zweite Zimmer. Ich räumte den Tisch ab, blies die Petroleumlampe aus. Die Nacht schimmerte durch die vereisten Scheiben. Wir legten uns schlafen. »Gute Nacht!« sagte ich, wie immer. Niemand antwortete.
    Am Morgen, während ich Späne spaltete, um den Samowar zu heizen, kam Baranovitsch in

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