Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
und rochen an jener Phiole und kauften so viel, dass ich mit der Destillation nicht schnell genug war, obwohl ich Tag und Nacht arbeitete.
Vielleicht waren es nicht meine Parfums, vielleicht nicht die provozierenden Namen wie La Séduction – die Verführung, Vanità – die Eitelkeit oder Peccato – die Todsünde, sondern meine Produktionsschwierigkeiten, die schließlich nicht nur die Nobiltà von Mailand, sondern auch die Desmoiselles aus dem Gefolge der französischen Offiziere in meinen Laden lockten, der rasend schnell zum Treffpunkt der gehobenen Gesellschaft avancierte. Meine Kreationen Passione – die Leidenschaft, und Discéndere all’Inferno – der Abstieg ins Inferno, waren etwas völlig anderes als die unschuldigen Veilchen- und Lavendeldüfte aus der Provence. Ich konnte mich vor Nachfragen und Bestellungen kaum retten, hatte kaum Zeit, mich um den Kauf von Glasphiolen aus Murano zu kümmern oder um die Ingredienzien für die Kreation neuer Parfums, und musste schließlich widerwillig das Feuer im Athanor löschen, mit dem ich die Separatio durchführen wollte.
Als dann noch Herzog Ludovico eines Tages selbst dem Rat seiner Gemahlin Beatrice folgte und mit seinem Gefolge meinen Laden stürmte, waren meine Geldsorgen vorbei, und ich konnte meine Schulden bei Amerigo tilgen.
Glücklicherweise betrat Seine Herrlichkeit den Laden nicht selbst – was wäre geschehen, wenn er mich erkannt hätte? –, sondern schickte einen seiner Gefolgsleute, Baldassare Castiglione aus Mantua, zu den Verhandlungen an die Front. Castiglione kaufte in Kenntnis von Ludovicos verwöhntem Geschmack den Laden leer. Meine ausgefallenen Parfums mussten Ludovico ebenso beeindruckt haben wie mein Verhandlungsgeschick, denn nur wenige Wochen später wurde ich zur Hoflieferantin der Sforza ernannt. Und Fortuna lächelte – mit einem ironischen Augenzwinkern.
Ein Duft hatte es Ludovico besonders angetan, ein schweres, die Sinne betörendes Parfum. Den Mengen nach zu urteilen, die er bei mir bestellte, musste er darin täglich baden – und den Rest trinken. Er ließ schriftlich anfragen, wie das Parfum genannt werde. Ich antwortete Seiner Herrlichkeit – ich gestehe: Tränen lachend –, die kostbarste meiner Tinkturen sei » Veleno – Gift«.
Der Herzog verstand meinen Humor – wenn auch nicht in allen Schattierungen. Denn er konnte ja nicht ahnen, welches die geheimen Ingredienzien meines die Sinne betörenden »Giftes« waren, das auch als Aphrodisiakum eine im Wortsinn befriedigende Wirkung zeigte: Herzogin Beatrice und Seiner Herrlichkeit Geliebte Cecilia Gallerani wurden gleichzeitig schwanger. Der Herzog nannte mich fortan anerkennend »seine Giftmischerin«.
Dass dieser gut gezielte Schuss gegen Ludovico eines Tages nach hinten losgehen würde, hätte ich mir eigentlich denken können …
Mitte Juli 1495 antwortete Girolamo endlich auf meinen Brief, in dem ich ihm mitgeteilt hatte, dass ich nach Mailand gegangen war. Ich zerbrach das Siegel und las sein Schreiben, während ich im Laboratorium den Athanor für die Separatio anfeuerte.
Celestino, schrieb er mir:
Welche Freude, von dir zu hören! Wenn man von einem einzigen Satz über dich selbst auf drei eng beschriebenen Pergamentseiten überhaupt davon sprechen kann, dass ich nun wüsste, wie es dir geht. Aber ich kann es mir denken, denn ich weiß, wie sehr du Giovanni geliebt hast. Er fehlt mir ebenso wie dir!
Bitte verzeih, dass ich dir nicht sofort geantwortet habe, aber ich habe unglaublich viel zu tun und finde nur noch selten Zeit für ein ruhiges Gespräch mit Gott oder einen langen Brief an dich. Was in den letzten Monaten nur ein schlechtes Gewissen war, wird mir nun zur brennenden Seelenqual, zum Fegefeuer, das auch mit Weihwasser nicht mehr zu löschen ist.
Wie es mir geht, willst du wissen? Eine solch komplizierte Frage lässt sich nicht mit einem Wort beantworten. Die Fastenzeit schien mir dieses Jahr länger als jemals zuvor. Unerträglich lang. Aber es ist nicht meine Unfähigkeit zur Entsagung und zum Opfer, die mir Sorgen macht. Ganz im Gegenteil. Ich bringe Opfer. Ich verleugne täglich meinen Wunsch nach Ruhe und Besinnung, ich verleugne mich selbst, indem ich seit König Charles’ Abzug nach Rom und Neapel versuche, in Florenz Ordnung zu schaffen. Ich, der dominikanische Frater, der der Welt entsagt hatte! Welch seltsame Wirkung das »Wasser des Lebens« auf mich hat!
Gott hat mich versucht. Und Er tut es noch. Wie gern wollte ich aus
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