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Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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König auf einen Waffenstillstand, und Charles verließ Rom in Richtung Neapel. König Alfonso dankte im Januar zugunsten seines Sohnes Ferrantino ab – doch auch der floh aus Neapel. Und so machte es sich Charles VIII . im Mai 1495 auf dem Thron von Neapel bequem. Aber nicht lange!
    Charles ist der Sieger, und er ist es doch nicht. Denn Gott strafte die Franzosen für ihr schändliches Verhalten in Neapel mit einer furchtbaren Krankheit, der Syphilis, die die Franzosen heimsucht wie die biblischen Plagen Ägypten. Charles hat verloren, weil er Gott, den Papst und Italien gegen sich hat, und so trat er vor wenigen Wochen den Rückzug nach Norden an. Piero de’ Medici, der immer noch auf eine Rückeroberung von Florenz mithilfe des französischen Heeres hofft, ist bei ihm.
    Am 5. Juli wurde Charles in der Schlacht von Fornovo in der Emilia durch den Marchese von Mantua geschlagen – er musste sich zurückziehen. Gelobt sei Gott: Charles flieht aus Italien! Italien ist gerettet! Ich weiß nicht, wann er Mailand erreicht, und ich habe keine Ahnung, wie Herzog Ludovico ihn empfangen wird. Ich weiß auch nicht, ob Piero ihn nach Paris begleiten wird. Sei vorsichtig, Celestino! Verschwinde aus Mailand, bis die Gefahr vorüber ist! Ich bete für dich. Florenz, Juli 1495. Girolamo.
    Post Scriptum: Ein junger Mann, Niccolò Machiavelli, war vor einigen Wochen bei mir. Er hat nach dir gefragt – ob ich wüsste, wohin du geflohen bist. Er wusste, dass Piero bei Charles ist und dass Kardinal Giovanni und Giulio irgendwo in Deutschland herumreisen. Machiavelli schien sich große Sorgen zu machen: Er war ganz verzweifelt, weil er seit Monaten nichts von dir gehört hatte, weder ob du lebst, noch ob du tot bist. Ich habe ihm gesagt, dass ich von dir gehört hätte, und er beruhigte sich ein wenig. Soll ich ihm sagen, wo du bist?

    Ich faltete den Brief zusammen und legte ihn auf meinen Arbeitstisch. Niccolò hatte nach mir gefragt! Gianni und Giulio waren in Sicherheit! Ich hätte erleichtert aufatmen können. Wenn, ja wenn! Piero war bei Charles, und der französische König floh aus Italien. Wenn einer von beiden mich hier in Mailand fand …
    Ich war unruhig, als ich mich der Operation der Separatio zuwandte, die ich an diesem Tag endlich durchführen wollte. Ich starrte in den Alambic und versuchte, mich auf die Aufgabe zu konzentrieren. Immer wieder eilten meine Gedanken zurück zu Girolamos Brief.
    Im Feuer erhitzt, im Eis gekühlt, hatte ich wochenlang alles Überflüssige von der Materie abgeschmolzen und sie auf sich selbst reduziert, um die Separatio durchzuführen. Bisher erfolglos. Die Materie sollte sich beim Erhitzen trennen: in einen flüchtigen Teil, der verschwindet, und einen materiellen Rückstand, der im Alambic zurückbleibt – brennende Erinnerungen an eine unerfüllte Liebe und die auskühlende Asche eines Menschen. Es musste getrennt werden, was Gott zusammengefügt hatte: Giovanni und mich. Durch die Separatio hoffte ich, von den quälenden Erinnerungen an Giovanni loszukommen, ihn von mir abzutrennen wie die »brennende Taube«, die während der Erhitzung aus der »sich windenden Schlange« entwich.
    Wie oft hatte ich in den vergangenen Monaten an Giovanni gedacht. Ich blätterte in seinem Notizbuch mit den letzten Aufzeichnungen vor der Explosion seines Laboratoriums. Wie oft hatte ich seine letzte Skizze angestarrt: Giovanni und ich in ekstatischer Umarmung in der Coniunctio.
    Tränen liefen über meine Wangen, während ich sanft über die Federzeichnung strich. Über Giovannis Gesicht. Über eine Idee von Glück, jenseits der Angst und des Zweifels, über eine Idee von innerem Frieden, jenseits des Handelnwollens, Handelnmüssens, jenseits aller Konsequenzen. Ich schlug das Notizbuch zu und wartete, dass sich die »brennende Taube« aus der »sich windenden Schlange« löste. Vergeblich! Ich konnte Giovanni einfach nicht aus meinem Herzen reißen und vergessen …
    Hoffnungslos warf ich das Notizbuch in die Flammen des Athanors.
    O Gott, dachte ich erschrocken, was tue ich nur! Mit dem Schürhaken zog ich das Buch wieder aus dem Feuer. Hastig löschte ich die brennenden Seiten, fiel auf die Knie, presste das Buch weinend an mich.
    In diesem Augenblick geschah es. Ich verlor die Kontrolle.
    Der Alambic überhitzte sich, die »brennende Taube« stieg auf, die »Schlange« reckte sich ihr hinterher, wand sich wie unter Qualen, dehnte sich aus, immer weiter, bis sie den Glaskolben sprengte. Scherben

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