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Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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auch ich tun muss, was ich für richtig halte. Vergib mir, denn ich werde nach Florenz reiten, um Girolamo in seinen letzten Stunden beizustehen.« Ich wandte mich zum Gehen.
    »Du kannst nicht nach Florenz! Das ist viel zu gefährlich. Du bist eine Medici«, rief er mir nach. An der Tür hatte er mich eingeholt, und ich blieb stehen. Er griff nach meiner Hand und zog mich an sich. »Muss ich dich in die Engelsburg sperren, um dich von diesem Wahnsinn abzuhalten? Bitte geh nicht!«, flüsterte er, als er mich an sich drückte. »Ich würde es nicht ertragen, wenn dir etwas geschieht.«
    »Ich werde nach Florenz reiten, Rodrigo. Und wenn es das Letzte ist, was ich tue. Ich werde Girolamo beistehen.«
    Er fragte mich nicht, ob ich nach Rom zurückkehren würde, denn er ahnte, wie meine Antwort sein würde. »Lass mich dir wenigstens ein paar Bewaffnete mitgeben, die dein Leben schützen«, bat er mich besorgt.
    »Nein, Rodrigo. Ich erbitte etwas anderes von dir.«

    Eine Stunde später war ich allein auf dem Weg nach Florenz. Im Gepäck hatte ich ein päpstliches Beglaubigungsschreiben für Fra Celestino und einen Dominikanerhabit. Ich ritt, als wäre Satan hinter mir her, und übernachtete in einem Dominikanerkloster. Ich galoppierte die Via Cassia entlang über Siena nach Florenz, wo ich am 22. Mai, dem Tag vor Girolamos Hinrichtung, völlig erschöpft von diesem Gewaltritt, kurz vor Sonnenuntergang die Porta Romana durchquerte.
    Die schwarze Kapuze des Ordensgewandes hatte ich über den demütig geneigten Kopf gezogen, als ich durch die Via Romana in Richtung Ponte Vecchio ritt. Niemand erkannte mich, als ich den Arno überquerte, mich mit meinem Pferd durch das Gassengewirr kämpfte und im schwindenden Licht der letzten Sonnenstrahlen nach vier Jahren des Exils zum ersten Mal wieder die Piazza della Signoria betrat.
    Ich fühlte mich seltsam verloren in Florenz. Wie ein Schilfrohr, das aus dem Uferschlamm des Arno gerissen worden war, um an einer anderen Stelle des Lebensflusses eingepflanzt zu werden. Hatten meine zerrissenen Wurzeln jemals Halt gefunden in Mailand? Oder trieb ich, das ausgerissene Schilfrohr, immer weiter mit der Strömung des Flusses?
    Florenz hatte sich nicht verändert. Alles war wie früher, als die Stadt meine Heimat gewesen war: die Palazzi der großen florentinischen Familien rund um die Piazza, die Wehrtürme mit ihren im Wind wehenden Flaggen, die mit Statuen geschmückte Loggia, der Palast der Signoria, Donatellos marmorner Löwe, das Symbol der Republik. Florenz würde sich niemals verändern, nicht in fünfhundert Jahren. Und doch war alles anders, nach nur vier Jahren. Die Menschen hatten sich verwandelt.
    Sie machten mir Angst. Nicht weil ich fürchtete, erkannt und hingerichtet zu werden. Sondern weil ich sah, was sie aus sich selbst gemacht hatten. Verwirrte, verschreckte, verängstigte Menschen, die einen Propheten verehrt hatten, weil er ihnen das Seelenheil versprach, die ihren Propheten verurteilten, weil sie den Glauben an ihn verloren hatten, die ihn richteten, weil sie Angst hatten, am Ende selbst gerichtet zu werden. Verwirrte, verschreckte, verängstigte Menschen, fehlbar in ihrem Urteil, verwegen in der Wahl ihrer Waffen, die Schuld von sich abzuwenden. Quo vadis, homine – Wohin gehst du, Mensch? Und wie weit willst du noch gehen?
    In der Mitte des Platzes war ein Scheiterhaufen errichtet worden. Ich lehnte mich im Sattel zurück und sah hinauf zum Turm des Palazzo della Signoria, wo Girolamo gefangen gehalten wurde.
    Nachdenklich überquerte ich die Piazza und ritt durch die Via dell’Anguillara in Richtung Santa Croce. Die Schatten der Abenddämmerung senkten sich über die Stadt, als ich vor Niccolòs Palazzo vom Pferd sprang.

    Niccolò, seit den Wahlen im März Mitglied der Regierung von Florenz, verschaffte mir Einlass in den Palazzo della Signoria. Er war nicht glücklich über mein plötzliches Auftauchen in Florenz und fürchtete um mein Leben. Und als ich ihm erklärte, was ich vorhatte, sah er mich nur kopfschüttelnd an. Traurig. Und verzweifelt über meine Entschlossenheit. Aber wenn Niccolò mir nicht geholfen hätte, wäre ich, der Dominikanermönch, nicht bis in Girolamos Zelle gelangt. Die Signoria war wegen der Androhung des Interdikts nicht besonders gut auf den Papst zu sprechen, und Niccolò musste seinen ganzen Einfluss beim Bannerträger geltend machen, um mich in jener Nacht hinauf in den Turm zu bringen.
    Mit einer Fackel in der Hand stieg ich

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