Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
fortzuschaffen.«
Ich lachte.
Er zog mich an sich, um mich zu küssen. »Ich würde es nicht ertragen, dich noch einmal zu verlieren!«
Zart erwiderte ich seine Liebkosungen. »Ich will dich auch nicht verlieren, mi amor. Dafür bist du ein viel zu guter Liebhaber!«, flüsterte ich ihm ins Ohr. »Bei meinen verwöhnten Ansprüchen würde es mir schwer fallen, einen neuen Geliebten zu finden … der so gut aussieht wie du … so mächtig ist … so reich … und so in mich verliebt. Ich denke, ich würde mich vorerst mit Giuliano della Rovere trösten«, neckte ich ihn. »Ich kann ihn ja heute Abend während des Banketts fragen, ob er mich will …«
»Das wagst du nicht!«, lachte Cesare über meinen Scherz und hielt mich fest, zog mich zu sich herunter ins warme Gras und küsste mich leidenschaftlich. Welch einen Anblick müssen wir den Beobachtern hinter den Fenstern des vatikanischen Palastes geboten haben!
Der Pfeil aus der Armbrust verfehlte uns nur um Haaresbreite. Er zischte über meine Schulter hinweg und blieb eine Handbreit neben uns im Gras stecken.
Ein Anschlag auf Cesare?, dachte ich im ersten Augenblick. Oder galt der Schuss uns beiden?
Ich war zu erschrocken, um Furcht zu empfinden.
Cesare ließ mich los und sprang auf. Er riss den Pfeil aus dem Boden, dann wandte er sich zum Palazzo Apostolico um. »Dieser verdammte Verräter!«
Ich erhob mich und sah ebenfalls zum Palast hinüber. Wegen der schwülen Sommerhitze standen alle Fenster weit offen. Der Schuss hätte von überall her kommen können.
Ich ahnte, was er vorhatte, und versuchte, ihn aufzuhalten, aber er riss sich los und stürmte aus dem Garten. Ich lief hinter ihm her. Wie ein entfesselter Wirbelwind rannte er die Treppen des Palazzo hinauf, drang an Adriano da Corneto, dem päpstlichen Sekretär, vorbei in Rodrigos Wohnung ein. Dann fegte er in Alfonsos Schlafzimmer.
Alfonso lag angezogen auf seinem Bett und unterhielt sich mit seiner Schwester Sancha. Lucrezia war wohl noch bei ihrem Vater, der nebenan mit Fieber im Bett lag.
»Mein lieber Cesare! Was verschafft mir die Ehre deines Besuches?«, fragte Alfonso überrascht, als er den Schwager zornig sein Schlafzimmer betreten sah. Sein Seidenhemd war wegen der Hitze bis zur engen Hose offen, aber er machte auch in meiner Gegenwart keine Anstalten, seinen nachlässigen Aufzug in Ordnung zu bringen.
»Ich will mich von dir verabschieden, mein lieber Alfonso«, erwiderte Cesare erstaunlich ruhig.
»Verabschieden?«, fragte Alfonso verwirrt, während er ein Kissen in seinem Rücken zurechtklopfte. »Du verlässt uns?«
»Nicht ich werde gehen, Alfonso. Sondern du.« Cesare stürzte sich auf den Herzog, packte ihn bei den Schultern, zerrte ihn hoch und schlug auf ihn ein. Alfonso taumelte rückwärts in die Kissen und hatte wegen seiner Wunden Mühe, sich aufzurichten, um sich gegen Cesare zu wehren. Aber Alfonsos tägliche Waffenübungen verliehen ihm eine unglaubliche Stärke. Er stieß Cesare, der ihn mit seinem Gewicht niederdrückte, zurück. Sancha und ich versuchten die beiden zu trennen. Erfolglos.
Wie zwei Gladiatoren schlugen die beiden Herzöge aufeinander ein. Keiner von beiden trug einen Dolch, aber beide waren in der Kampfkunst geschult und kannten die Schwachstellen des Gegners.
Sancha warf sich auf Cesare, um ihn von ihrem Bruder herunterzuzerren, und schrie mich an, ich sollte Hilfe holen. Zornig schlug sie auf ihren ehemaligen Geliebten ein, aber der beachtete ihre Schläge gar nicht. Mit einer lässigen Bewegung schob er Sancha von sich und widmete seine Aufmerksamkeit wieder Alfonso, der keuchend nach Atem rang.
Lucrezia erschien in der Tür, alarmiert durch die Kampfgeräusche in der päpstlichen Wohnung. Sie schrie auf und warf sich zwischen ihren Bruder und ihren Gemahl. »Hör auf, du … du Mörder!«, schrie sie Cesare an. Als der nicht reagierte, erhob sie die Hand gegen ihren Bruder, doch ein einziger Schlag ihres Bruders ließ sie zurücktaumeln und zu Boden stürzen.
Alfonso warf sich zornig auf Cesare: »Lass sie in Ruhe, du verdammter …«
In der Ferne grollte drohend der Donner eines heraufziehenden Gewittersturms.
Hilflos sah ich zu, wie Cesare und Alfonso miteinander rangen. Ihre Glieder ineinander verhakt, fielen sie gemeinsam vom Bett auf den Boden und schlugen dort weiter aufeinander ein. Was sollte ich tun? Mich mit den beiden auf dem Boden herumwälzen? Durch mein jahrelanges Fechten war ich stärker als Lucrezia und Sancha,
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