Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
mich auf den Rand des Bettes und umarmte sie tröstend. »Lucrezia, ich werde dich nicht verlassen.«
Sie richtete sich auf und schlang ihre Arme ungestüm um meine Schultern. Ihre Tränen netzten meine nackte Haut. Sie ließ mich nicht los, als sie sich weinend in die Kissen zurücksinken ließ. Ich legte mich neben sie auf das Bett. Ihr Kopf lag an meiner Schulter, und sie drängte sich Schutz suchend an mich.
»Du bist ganz nass«, sagte sie, als sie sich an mich schmiegte. »Selbst deine Haare sind tropfnass, Caterina.«
»Ich war draußen im Regen«, murmelte ich. Aber die vom Himmel herabstürzende Sintflut hatte Alfonsos Blut nicht abwaschen können …
»Was meintest du, als du sagtest, du habest deinen Vater verloren?«, fragte ich.
»Er hat Cesare befohlen, Alfonso zu ermorden«, schluchzte sie.
»Was?«
»Hast du nicht seinen Blick gesehen, als er den toten Alfonso in deinen Armen auf dem Bett hingestreckt sah?«, schniefte sie.
Ja, ich hatte seinen Blick gesehen. Ich hatte ihn gespürt. Wie die Klinge eines Dolches.
Lucrezia schmiegte sich an mich. »Woher wusste Cesare, dass Alfonso von seinem Schlafzimmerfenster aus auf ihn geschossen hatte? Jeder, der Zutritt zum Palast hat, hätte es tun können. Selbst die Monsignori Johannes Burkhard und Adriano da Corneto, der Sekretär meines Vaters.«
»Aber …«, begann ich, bevor ich den Gedanken zu Ende gedacht hatte.
»Und wieso hast gerade du die gespannte Armbrust in Alfonsos Bett gefunden? Du, Caterina! Cesare wusste, wie Alfonso und du zueinander standet. Er wusste von eurer zärtlichen Freundschaft. Ich habe euch vom Schlafzimmerfenster meines Vaters aus gesehen, wie ihr im Garten spazieren gegangen seid und wie ihr euch geküsst habt. Ich nehme an, sämtliche Monsignori und Kardinäle haben an den Fenstern gestanden und euch bei dieser Farce zugesehen. Eine überzeugende Vorführung mit engagierten Darstellern. Es wirkte alles sehr leidenschaftlich.«
Der Spaziergang mit mir im Garten, das Attentat auf Cesare – war das alles nur eine perfekte Inszenierung, um den Mord an Alfonso zu rechtfertigen? Und Cesares erschrockene Reaktion auf meine Worte, seine Familie hätte ihn verlassen, seine Schwäche, seine kaltblütige Provokation meines Mitgefühls: Er wollte, dass ich ihm hinterherlief, um ihn von der unsinnigen Tat abzuhalten. Er wollte, dass ich, Cesares Geliebte, Alfonsos Angebetete, Lucrezias Freundin, die Vertraute des Papstes, die Armbrust im Bett fand. Caterina, vera, sine mendacio, certa et verissima und damit über jeden Zweifel erhaben, hatte die Mordwaffe bei Alfonso gefunden. Das Atmen fiel mir schwer, ich war zu Tode erschrocken über die Kaltblütigkeit dieses Mordes.
»War es wirklich Alfonso, der auf Cesare geschossen hat?«, flüsterte Lucrezia. »Alfonso war ein guter Schütze. Er hätte Cesare nicht verfehlt. Oder war es Micheletto, der von Cesares Wohnung aus auf ihn geschossen hat, um ihm einen Vorwand zu geben, Alfonso aus dem Weg zu räumen? Hatte Micheletto vor dem Attentat die Armbrust unter dem Bett versteckt, während Alfonso schlief?«
»Aber warum?«, fragte ich. »Warum musste Alfonso sterben?«
»Er war meinem Vater und meinem Bruder im Weg. Seit Sancha Cesare verlassen hat, um in Juans Bett zu kriechen, und seit Carlotta von Aragón den Mut hatte, ihm die Ehe zu verweigern, die ihm die Thronfolge Neapels eingebracht hätte, darf der Name Aragón in seiner Gegenwart nicht mehr genannt werden. Als mein Vater dann Alfonso als meinen Gemahl vorschlug, ist er explodiert. Du hättest meinen Vater und meinen Bruder erleben sollen – der Vatikan bebte.« Lucrezia seufzte. »Alfonso ist der Neffe des Königs von Neapel. Cesare ist Herzog von Valence und damit Gefolgsmann von Louis, der die Krone Neapels für sich will. Keine Krone Neapels für Louis – kein Herzogtum für Cesare, weder in Frankreich noch in Italien. Kein französisches Heer für seine Eroberungen – keine Krone für Cesare.«
Ich nickte: Lucrezias Argumente waren logisch – unerbittlich und grausam, erschreckend und menschenverachtend logisch.
Alfonso und ich hatten vor Wochen darüber gesprochen, wie er sich fühlte, wenn er allein und fern von Neapel jeden Tag Entscheidungen des Papstes miterleben musste, die den Untergang der Aragón zum Ziel hatten. Er hatte in San Pietro neben Cesare gestanden, als dessen Vater ihn, den Freund und cher cousin von König Louis, zum Bannerträger der Kirche ernannte, zum Herzog der Romagna. Es war wie
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