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Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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spüren, dann wird das Leiden zur Lust.
    Ich glaube nicht, dass irgendjemand verstand, welches Spiel wir da miteinander spielten. Oder warum.
    Aber wussten wir denn selbst, was wir da taten?

Kapitel 13
Dantes Inferno
    N och heute erinnere ich mich genau an den Tag, an dem alles begann, an den grauenvollen Tag, an dem der Wind sich erhob, um wie ein alles vernichtender Wirbelsturm zu wüten, um mit zerstörerischer Gewalt alles mit sich zu reißen, was sich ihm in den Weg stellte. Alfonso. Guido. Und mich.
    Es war ein unerträglich heißer Tag Mitte August. An diesem Morgen war ich schon schweißgebadet aufgewacht, denn die Nacht hatte keine Abkühlung gebracht. Vom Tiber her stieg eine atemberaubende, feuchtheiße Schwüle hinauf zum Vatikan – die Malaria regierte die Stadt wie eine biblische Plage. Hunderte Menschen waren ihr bereits zum Opfer gefallen.
    Mit päpstlicher Sondergenehmigung sezierte ich seit dem frühen Morgen eine Leiche, um die Ursache für die furchtbare Krankheit zu finden. Ich verzweifelte fast. Mein ganzes medizinisches Wissen aus den Büchern von Galenos und Ibn Sina, meine spagyrischen Forschungen, die Leichensektionen mit Leonardo in Mailand – alles war nutzlos. Ich konnte einfach nichts finden … ich wusste ja nicht einmal, wonach ich suchen sollte …
    Mit einem letzten Schnitt durchtrennte ich die Arterien und hob das Herz aus der dunklen Höhlung des Brustkorbs. Ich betrachtete es von allen Seiten, konnte aber keine krankhafte Veränderung feststellen, also legte ich es vorsichtig auf einen Teller, um es später zu zerlegen. Dann wandte ich mich wieder den inneren Organen zu. Die Leber schien vergrößert. Ich griff nach dem Skalpell und trennte sie vorsichtig heraus.
    »Wie zärtlich du mit ihm umgehst«, hörte ich Cesare hinter mir. Hatte ich sein Klopfen überhört?
    Ich legte die herausgeschnittene Leber neben das ausblutende Herz und wandte mich zu ihm um. »Das ist keine Zärtlichkeit, Cesare. Das ist Respekt vor der Würde des Toten.«
    Cesare nahm mich fest in den Arm und küsste mich zart. »Du lässt nicht viel von ihm übrig, was man als ›würdevoll‹ bezeichnen könnte.« Er deutete auf das sezierte Gehirn.
    Erschöpft ließ ich mich auf einen Hocker neben dem Arbeitstisch fallen, auf dem die Leiche lag, warf das Skalpell auf den Tisch und fuhr mir über das schweißnasse Gesicht.
    Cesare sah mich irritiert an und wischte mir mit einem Leinentuch Blut von der Stirn. »Du siehst blass aus, Caterina«, urteilte er besorgt und strich mir sanft über das Gesicht. »Ein Spaziergang im Garten würde dir gut tun. Der Leichengestank ist ja unerträglich.«
    Ich lächelte müde und deutete entschuldigend auf Leber und Herz des Toten, die ich noch sezieren wollte, bevor es im Laboratorium zu dunkel wurde. »Cesare, ich muss …«
    »… endlich einmal an mich selbst denken«, vervollständigte er meinen Satz, ergriff meine Hände und zog mich hoch. »Es nützt niemandem, wenn du vor Erschöpfung zusammenbrichst oder selbst krank wirst.« Er half mir aus dem weiten Habit, den ich über Hemd und Hose trug, und warf ihn nachlässig über einen Stuhl. Dann schlang er die Arme um mich und küsste mich: »Komm!«
    Seufzend folgte ich ihm aus dem Laboratorium. Als wir in den Hof hinaustraten, war es, als prallte ich gegen eine massive Wand aus Hitze. Im Höllenfeuer des rotgoldenen Sonnenuntergangs rang ich nach Luft.
    Cesare hielt mich fest. »Hast du Fieber? Hast du dich in den letzten Tagen bei meinem Vater infiziert?«, fragte er besorgt.
    »Ich weiß es nicht«, sagte ich. »Gestern war ich sehr lange bei ihm. Er wollte unbedingt wissen, wie die Experimente vorangehen. Als ich ihm sagte, ich hätte immer noch nicht herausgefunden, was diese Malaria genau ist, ob giftige Dämpfe vom Tiber oder einfach nur diese unerträgliche Hitze, die das Blut zum Kochen bringt und den Körper überhitzt, war er enttäuscht.«
    Während wir langsam Arm in Arm zum Belvedere hinübergingen, sah ich an der Fassade des Palastes hinauf. Die Fenster von Rodrigos Schlafzimmer standen weit offen, und ich glaubte, Lucrezia gesehen zu haben, die zu uns heruntersah. In den letzten Tagen war sie ihrem Vater nicht von der Seite gewichen.
    Nein, Rodrigo war nicht enttäuscht gewesen, dass meine Experimente misslangen, denn er gab sich keiner Täuschung hin. Er war krank. Und er war zornig über seine eigene Schwäche, seine Niederlage unter die Krankheit, die ihn zum Stillliegen verdammte. Und zum Nachdenken

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