Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
über etwas, über das er lieber nicht nachdachte: seinen Tod.
Dass er mir gestattet hatte, im Vatikan eine Leiche zu sezieren, war wohl weniger ein Zeichen seiner Hoffnung auf baldige Genesung als Ausdruck seiner Furcht, in den nächsten Tagen im Fieberwahn zu sterben, wenn ich nicht erfolgreich war.
»Was du tust, ist gefährlich«, sagte Cesare besorgt, während wir Arm in Arm zum Heckenlabyrinth des Belvedere hinübergingen. »Du experimentierst in deinem Laboratorium mit dem Tod.«
»Deinem Vater geht es nicht gut. Sein Fieber ist in den letzten Tagen noch gestiegen. Er spricht kaum ein Wort, jedenfalls nicht mit Lucrezia, Sancha oder mir. Mit Gott dagegen führt er endlose Verhandlungen. Ich mache mir Sorgen um ihn. Wenn er stirbt …«
»… dann ist alles vergeblich gewesen«, ergänzte Cesare missmutig. »Ich bin Bannerträger der Kirche und damit ist die geistliche und weltliche Macht der Ecclesia Dei in den Händen der Borgia. Ich bin Herzog von Valence, aber meine Macht ist noch nicht gefestigt – Louis kann mir jederzeit meine Titel nehmen. Wenn mein Vater stirbt, wird nichts bleiben. Nichts.«
Seit Cesares Rückkehr aus der Romagna und seiner Ernennung zum Bannerträger war es Rodrigos Ziel gewesen, seinen ältesten Sohn zum Herrscher eines italienischen Staates zu machen, dessen Souveränität unangetastet bleiben würde, selbst wenn sein päpstlicher Vater eines Tages starb und ein mächtiger Kardinal wie Giuliano della Rovere ihm als Pontifex nachfolgen sollte. Die erzwungene Untätigkeit während der letzten Monate, als Trivulzio Mailand für Louis zurückeroberte, als der gestürzte Ludovico als Gefangener nach Frankreich gebracht wurde, hatten Cesare nachdenklich gemacht. Unruhig. Gereizt. Er brannte darauf, mit seinem französischen Heer in die Romagna zurückzukehren, um die Eroberung seines künftigen Herrschaftsgebietes fortzusetzen.
»Glaubst du nicht, dass auch ich etwas zu verlieren habe, wenn dein Vater stirbt?«, fuhr ich ihn an. Was glaubte Cesare denn, warum ich mir in meinem Laboratorium die Nächte um die Ohren schlug, um ein Heilmittel gegen die Malaria zu finden, wieso ich Leichen sezierte und mit dem Tod meine Experimente machte? Weil ich den Nervenkitzel der Gefahr einer Infektion genoss?
»Bitte entschuldige, Caterina. Ich bin gereizt. Ich habe heute Nacht kaum geschlafen. Ich habe auf dich gewartet, aber du bist nicht gekommen …« Er umarmte mich und küsste mich. Dass wir das Heckenlabyrinth noch nicht erreicht hatten und vom Palazzo Apostolico aus gut zu sehen waren, kümmerte ihn nicht weiter.
»Ich war bei Alfonso«, erklärte ich mit fester Stimme.
Im ersten Moment dachte ich, Cesare würde mich schlagen, aber dann beherrschte er sich, ließ mich los und betrachtete den glutroten Sonnenuntergang. »Wie geht es meinem ›geliebten Schwager‹?«, murmelte er.
»Die Wunde an der Hüfte macht ihm immer noch zu schaffen. Er vertraut keinem Medicus und bat mich, sie mir anzusehen. Sein Bein sieht furchtbar aus und fühlt sich wohl auch so an. Alfonso hat seit dem Attentat Schmerzen. Ich bezweifle, dass er je wieder laufen kann, ohne zu hinken. Selbst das Reiten wird ihm Schwierigkeiten bereiten. Lucrezia ist besorgt. Sie glaubt …«
»… dass Alfonso im Bett seine Leistung nicht mehr bringen kann? Ich dachte, seine wichtigsten Teile seien unverletzt geblieben!«, spottete Cesare gehässig. Dabei sah er mich scharf an, als vermutete er, ich hätte mich letzte Nacht von der Funktionsfähigkeit eben jener Teile persönlich überzeugt.
»Lucrezia glaubt, dass du hinter dem Attentat auf Alfonso steckst«, fuhr ich unbeirrt fort. Eine Eifersuchtsszene zwischen Cesare und mir wollte ich unseren Zuschauern, die uns von den Fenstern des Palazzo aus beobachteten, nicht bieten. »Sie hat mir gestern unter Tränen erklärt, du habest versucht, Alfonso umzubringen.«
Vor einigen Tagen war Alfonso auf den Stufen von San Pietro überfallen worden, als er von einem Abendessen mit dem Papst in seinen Palazzo zurückkehren wollte. Gegen Mitternacht hatten sich mehrere als Pilger verkleidete Attentäter auf ihn gestürzt und ihm mit ihren Degen furchtbare Wunden beigebracht. Da die Attentäter Alfonso für tot hielten, hatten sie ihn auf der Piazza San Pietro liegen lassen und waren geflohen. Wie lange er so gelegen hatte, wusste er selbst nicht, doch schließlich raffte er sich auf und schleppte sich zurück in die Wohnung des Papstes, wo er seinem Schwiegervater zu Füßen
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