Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
ohne großes Gefolge und ohne Regierungsgeschäfte, bis ein besorgter Brief von Giuliano della Rovere aus Savona eintraf: Der Kardinal war nach einem erbitterten Streit mit Papst Alexander wieder einmal aus Rom geflohen und schrieb, »Seine Majestät, König Cesare« plane einen Feldzug gegen Siena, Perugia, Camerino und Senigallia, um sich Italien zu unterwerfen. Ein Angriff auf Urbino könne nicht ausgeschlossen werden. Guido zögerte keine Minute und kehrte sofort mit mir in die Stadt zurück.
Arm in Arm schlenderten Guido und ich langsam die Gasse hinunter zum Markt vor der Kirche San Francesco. Es war ein herrlicher Frühlingstag Mitte März, die Sonne schien warm aus einem wolkenlosen Himmel. Tief atmete ich die süße Frühlingsluft ein und genoss die Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht.
Guido war beliebt bei seinem Volk und bewegte sich in der Öffentlichkeit so zwanglos, wie Lorenzo es in Florenz getan hatte. Die Leibwache diente ihm eher dazu, den Weg durch die Menschenmenge zu bahnen und seine Einkäufe nach Hause zu bringen, als dass sie im Notfall sein Leben gegen einen Attentäter schützen konnte.
Während wir die Straße vom Palazzo Ducale am Dom vorbei zum Markt hinabgingen, grüßte Guido Bekannte, schüttelte unzählige Hände und nahm kleine Geschenke entgegen, die er in den Palazzo bringen ließ, um sie abends an die Armen zu verteilen.
Ein kleiner Junge, vielleicht vier oder fünf Jahre alt, mit einem Holzpferdchen unter dem Arm, lief ungestüm auf uns zu. Guido ließ mich los und beugte sich zu dem Kleinen hinunter, der ihm mit ein paar gestammelten Worten das Pferdchen schenken wollte.
Gerührt sah ich zu, wie Guido sich mit dem Kleinen unterhielt: »Ein schönes Pferd! Was willst du einmal werden, junger Mann?«
»Condottiere, wie Ihr!«, war die Antwort.
Guido lachte. »Dann behalte dein Pferd, du wirst es in der Schlacht benötigen. Ich habe keine Kinder, die damit spielen könnten.«
Wie ein Blitz durchfuhr es mich: Guido sehnte sich wie ich nach Kindern. Ich musste ihn nur ansehen, wie ernsthaft er sich mit dem Jungen unterhielt, um das zu erkennen. Mir wurde schwindelig, und ich musste mich an ihm festhalten.
Guido richtete sich auf und stützte mich. Besorgt fragte er: »Was ist, Caterina? Sollen wir in den Palazzo zurückkehren? Willst du dich hinlegen?«
»Nein, Guido. Es wird schon gehen«, flüsterte ich. Dass ich an diesem Tag schon drei solcher Anfälle hatte, verschwieg ich ihm.
Der kleine Junge trat schüchtern vor mich und hielt mir wortlos sein Holzpferdchen entgegen. Offensichtlich nahm er an, dass ich auf seinem Pferd sicher in den Palazzo zurückkehren konnte. Ich brach fast in Tränen aus, als Guido »das Geschenk für die Madonna Caterina« nun doch von dem Jungen annahm und mir überreichte.
Ich presste das Holzpferd an mich, während Guido und ich weiter zum Markt gingen. Er hatte den Arm um mich gelegt und stützte mich, damit mein schmerzhaftes Humpeln nicht so offensichtlich war. Der kleine Junge folgte uns bis zur Kirche San Francesco, vor deren Portal die Marktstände errichtet waren, und Guido kaufte ihm eine Hand voll gebrannter Mandeln.
Der Markt war ein Fest für die Sinne. Die Tische bogen sich unter den herrlich duftenden Köstlichkeiten: saftige Schinken aus Norcia, würzige Salsiccia-Würste aus Umbrien, Salamis, Pecorino, Ziegenkäse, grüne und schwarze Oliven, getrocknete Steinpilze, in duftendes Öl eingelegte weiße und schwarze Trüffel aus dem nahen Dorf Acqualagna.
Zur großen Freude der Händler probierte Seine Exzellenz von einer Wildschwein-Salami und einem Käse in Walnussblättern, naschte Oliven, spuckte wie alle anderen die Kerne auf die Straße, fand alles hervorragend und kaufte den Markt leer. Dass uns halb Urbino dabei zusah, wie er mir auf offener Straße eine Olive in den Mund steckte und mich küsste, schien ihn nicht im Mindesten zu kümmern. Ganz im Gegenteil: Ich glaube, er wollte, dass jeder sah, wie glücklich er mit mir war.
Und Elisabetta?
»Sie ist in Mantua, bei ihrem Bruder Francesco Gonzaga. Nach Lucrezias Hochzeit ist sie mit ihrer Schwägerin Isabella d’Este dorthin gereist, um einige Wochen mit ihrer Familie zu verbringen. Sie hat mir geschrieben, dass sie noch einige Wochen in Mantua bleiben wird«, erklärte mir Guido, während er kandierte Mandeln probierte. »Sehr lecker. Willst du mal kosten?« Er reichte mir eine Mandel.
»Weiß sie von mir?«, fragte ich, während wir zum nächsten Stand
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