Die Kartause von Parma
habe dem Padre Landriani, dem jetzigen Erzbischof, nahegelegt, Krankheit vorzuschützen und um seine Entlassung einzukommen; man wolle ihm ein fettes Jahresgehalt aus dem Tabakmonopol bewilligen. Das sei sicher. Dieses Gerücht drang bis zum Erzbischof, der sich darüber arg beunruhigte und dessen Eifer für unseren Helden mehrere Tage lang an starker Abkühlung litt. Zwei Monate später tauchte diese hübsche Neuigkeit in den Pariser Tageszeitungen auf, nur mit der kleinen Änderung, Graf Mosca, der Neffe der Herzogin von Sanseverina, würde demnächst Erzbischof.
Die Marchesa Raversi auf ihrem Schlosse Velleia war wütend. Sie war keineswegs ein Weibchen von der Sorte, die sich zu rächen wähnt, wenn sie ein paar kränkende Äußerungen gegen ihre Feinde vom Stapel läßt. Bereits am Tage nach ihrer Kaltstellung meldeten sich der Cavaliere Riscara und drei andere ihrer Freunde auf ihr Geheiß zu einem Empfang bei Serenissimus und baten um die Erlaubnis, sie in ihrem Schloß besuchen zu dürfen. Serenissimus empfing diese Herren höchst huldvoll, und ihr Eintreffen in Velleia gab der Marchesa Rückgrat. Vor Ablauf der zweiten Woche hatte sie dreißig Personen in ihrem Schlosse, lauter Leute, denen der liberale Minister später Stellungen verschaffen sollte. Allabendlich hielt die Marchesa eine regelrechte Beratung mit ihren bestunterrichteten Freunden ab. Eines Tages, als sie mehrere Briefe aus Parma und Bologna erhalten hatte, zog sie sich zeitig zurück. Ihre Lieblingszofe berief zunächst den jetzigen Herzenskönig der Marchesa, den Grafen Baldi, einenschmucken, aber gänzlich unbedeutenden jungen Mann, und dann den Cavaliere Riscara, seinen Vorgänger. Das war ein Männchen mit schwarzem Haar und schwarzer Seele, das seine Laufbahn als Mathematiklehrer an der Ritterakademie zu Parma begonnen hatte und jetzt Staatsrat und Ritter mehrerer Orden war.
»Ich habe die gute Gewohnheit,« sagte die Marchesa zu den beiden Herren, »niemals irgendein Schriftstück zu vernichten, und das lohnt sich. Hier sind neun Briefe, die mir die Sanseverina bei verschiedenen Gelegenheiten geschrieben hat. Sie werden alle beide nach Genua reisen; dort suchen Sie unter den Galeerensträflingen einen ehemaligen Notar namens Buratti, einen Namensvetter des großen venezianischen Dichters, oder Duratti. Sie, Graf, Sie setzen sich an meinen Schreibtisch und schreiben, was ich Ihnen diktieren werde:
›Mir fällt eben etwas ein, und ich schreibe es Dir. Ich gehe auf mein Landgütchen bei Castelnuovo. Wenn Du zwölf Stunden mit mir verleben wolltest, so wäre ich sehr glücklich. Wie mir scheint, ist nach dem, was sich hier soeben zugetragen hat, keine große Gefahr dabei. Die Wolken verziehen sich. Mache jedoch einen Halt, ehe Du nach Castelnuovo hineingehst. Du wirst auf der Landstraße einen meiner Leute finden; sie lieben Dich alle wie närrisch. Wohlverstanden, behalte für diese kleine Reise Deinen Namen Bossi. Man hat mir erzählt, Du trügst einen Bart wie der allerschönste Kapuziner; in Parma hat man Dich ja nur mit dem glatten Gesicht eines Großvikars gesehen ...‹
Verstehst du, Riscara?«
»Vollkommen. Nur ist die Reise nach Genua überflüssiger Aufwand. Ich kenne in Parma jemand, der allerdings noch nicht auf der Galeere ist, aber todsicher einmal hinkommt. Der wird die Handschrift der Sanseverina ausgezeichnet nachmachen.«
Bei diesen Worten riß Graf Baldi seine schönen Augen gewaltig auf. Jetzt begriff er.
»Wenn du diesen werten Parmaer kennst, auf dessen Beförderung du dich spitzt,« sagte die Marchesa zu Riscara, »dann kennt er dich offenbar auch. Seine Geliebte, sein Beichtvater oder sein Freund könnten von der Sanseverina bestochen sein. Ich will dieses Späßchen lieber ein paar Tage hinausschieben, als mich irgendeinem dummen Zufall aussetzen. In zwei Stunden reist ihr ab wie brave Lämmer! Laßt euch in Genua von keiner Seele sehen und kommt schleunigst wieder!«
Der Cavaliere Riscara machte sich lachend auf und näselte wie Pulcinell, indem er mit tollen Sprüngen davonlief: »Ich muß die Koffer packen!« Er wollte Baldi mit der Marchesa allein lassen.
Fünf Tage später führte er der Marchesa ihren Grafen ganz zerschunden wieder vor. Um sechs Meilen abzuschneiden, hatte er ihn überredet, auf dem Rücken eines Maulesels über das Gebirge zu reiten. Baldi schwur, man werde ihn nicht wieder dazu bringen, eine große Reise zu machen.
Riscara brachte der Marchesa drei Exemplare des Briefes mit, den
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