Die Kartause von Parma
sie ihm diktiert hatte, sowie fünf bis sechs andere in derselben Handschrift, die er selbst abgefaßt hatte und deren man sich vielleicht später bedienen konnte. Der eine dieser Briefe enthielt sehr nette Scherze über die Angst, die Serenissimus nachts ausstünde, und über die klägliche Magerkeit der Marchesa Balbi, seiner Mätresse. Man sagte von ihr, sie hinterlasse auf dem Polster eines Sessels, auf dem sie einen Augenblick gesessen, Spuren wie von einer Zange. Man hätte schwören mögen, alle diese Briefe seien von der Hand der Duchezza di Sanseverina geschrieben.
»Inzwischen habe ich erfahren,« sagte die Marchesa, »daß ihr Herzensfreund Fabrizzio sich ohne jeden Zweifel in Bologna oder in der Umgegend aufhält.«
»Ich bin gar zu elend«, rief Graf Baldi dazwischen. »Ich bitte, mit dieser zweiten Reise gnädigst verschont zu werden. Zum mindesten möchte ich ein paar Tage Ruhe haben, um meine Gesundheit wieder herzustellen.«
»Ich werde die Sache übernehmen!« erklärte Riscara, stand auf und unterhielt sich leise mit der Marchesa.
»Gut! Ich bin damit einverstanden!« erwiderte sie lächelnd. »Beruhigen Sie sich! Sie brauchen keinesfalls zu reisen«, sagte sie dann ziemlich verächtlich zu Baldi.
»Ich danke!« erwiderte dieser dankbaren Herzens.
In der Tat stieg Riscara allein in die Postkutsche. Er war keine zwei Tage in Bologna, da entdeckte er in einer Kalesche Fabrizzio mit der kleinen Marietta.
›Zum Teufel,‹ sagte er sich, ›unser künftiger Erzbischof scheint sich nicht großen Zwang anzutun! Das muß der Duchezza hinterbracht werden; sie wird erbaut davon sein.‹
Riscara brauchte sich nur die Mühe zu machen, ihm zu folgen, um seine Wohnung zu erfahren. Am anderen Morgen empfing Fabrizzio durch einen Boten das Genueser Machwerk. Er fand die Briefe etwas trocken, schöpfte im übrigen aber keinerlei Verdacht. Der Gedanke, die Duchezza und den Grafen wiederzusehen, machte ihn ganz ausgelassen, und was auch Ludovico einwenden mochte, er nahm ein Postpferd und ritt im Galopp los. Ohne daß er eine Ahnung davon hatte, wurde er in geringem Abstand vom Cavaliere Riscara verfolgt. Als dieser sechs Meilen vor Parma an der Post von Castelnuovo anlangte, sah er mit Vergnügen einen großen Volksauflauf auf dem Platze vor dem Ortsgefängnis. Man hatte soeben unseren Helden dorthin gebracht. Er war in der Post von zwei Schergen des Grafen Zurla erkannt worden, als er sein Pferd wechseln wollte.
Die Äuglein des Cavaliere Riscara strahlten vor Freude. Er erkundigte sich in der Stadt mit beispielloser Geduld nach allen Einzelheiten des Vorfalls und fertigte alsdann einen Boten an die Marchesa Raversi ab. Nachher schlenderte er durch die Straßen und sah sich die sehr merkwürdige Kirche an. Als er schließlich nach einem Bilde des Parmigianino suchte, das es, wie man ihm berichtet hatte, dort geben sollte, traf er mit dem Podesta zusammen,der sich beeilte, dem Staatsrat seine Unterwürfigkeit zu zeigen. Riscara sprach seine Verwunderung darüber aus, daß er den Verschwörer, den er glücklich verhaftet hätte, nicht unverzüglich nach der Zitadelle von Parma befördert habe.
»Es wäre nicht unmöglich,« fügte Riscara kühl hinzu, »daß seine zahlreichen Freunde, die vorgestern seine Reise durch das Gebiet Seiner Hoheit decken wollten, die Gendarmen angriffen. Diese Rebellen waren ihrer zwölf bis fünfzehn zu Pferde.«
»Intelligenti pauca!« meinte der Podesta mit pfiffiger Miene.
Fünfzehntes Kapitel
Zwei Stunden später fuhr der arme Fabrizzio, mit Handschellen versehen und mit einer langen Kette an den Wagen gebunden, den er hatte besteigen müssen, unter Bedeckung von acht Gendarmen nach der Zitadelle von Parma. Es war befohlen, daß sich in den Dörfern, durch die der Marsch ging, alle Gendarmen dem Zuge anschließen sollten. Der Podesta von Castelnuovo gab dem Staatsverbrecher das Geleit. Gegen sieben Uhr abends kreuzte der Wagen, hinter dem alle Straßenjungen von Parma und dreißig Gendarmen hermarschierten, die schöne Promenade, zog an dem kleinen Palazzo vorüber, wo einige Monate vorher Fausta gewohnt hatte, und erschien endlich vor dem Außentor der Zitadelle, gerade in dem Augenblick, als der General Fabio Conti mit seiner Tochter auszufahren im Begriff war. Der Wagen des Kommandanten machte Halt, ehe er über die Zugbrücke fuhr, um den Wagen vorbeizulassen, an den Fabrizzio gekettet war. Der General befahl sogleich, man solle die Tore der Zitadelle schließen, und
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