Die Kartause von Parma
zufrieden. Der mehr oder minder große Aufwand wird niemals unsern Rang bestimmen, sondern der Genuß, den die geistreichen Leute des Landes finden, wenn sie eine Tasse Tee in Ihrem Hause trinken.«
»Was wäre aber an jenem Unglückstage geschehen,« erwiderte die Duchezza, »wenn Sie sich nicht in die Sache gemengt hätten, wie ich das in Zukunft von Ihnen erhoffe?«
»Die Truppen hätten mit dem Pöbel gemeinsame Sache gemacht; es hätte drei Tage Mord und Brand geherrscht. In diesem Lande müssen nämlich noch hundert Jahre vergehen, ehe man hier für die Republik reif wird. Vierzehn Tage lang wäre geplündert worden, bis zwei oder drei von auswärts herbeigerufene Regimenter die Ordnung wieder hergestellt hätten. Ferrante Palla war mitten unter dem Pöbel, voller Mut und Raserei wie gewöhnlich. Er hat ohne Zweifel ein Dutzend Freunde, die mit ihm unter einer Decke stecken, woraus Rassi eine prächtige Verschwörung machen wird. So viel steht fest, daß er in einem unglaublich zerlumpten Anzug das Gold mit vollen Händen ausgeteilt hat.«
Verwundert über diese Einzelheiten, machte sich die Duchezza eiligst auf den Weg, um der Fürstin ihren Dank auszusprechen.
Als sie die Gemächer der Fürstinwitwe betrat, händigte ihr die diensthabende Hofdame den kleinen am Gürtel zu tragenden goldenen Schlüssel aus, das Zeichen der höchsten Würde in dem von der Fürstin bewohnten Teil des Schlosses. Clara Paolina entließ sofort alle Anwesenden; und als sie mit ihrer Freundin allein war, bewegte sich ihre Rede eine Weile in unklaren Ausdrücken. Die Duchezza verstand nicht recht, worauf sie hinauswollte, und antwortete sehr zurückhaltend. Schließlich brach die Fürstin in Tränen aus, und sich in die Arme der Duchezza werfend, rief sie aus: »Mein Lebenskelch ist noch nicht geleert. Mein Sohn wird mich noch schlimmer behandeln als sein Vater!«
»Das werde ich verhindern!« entgegnete die Duchezza lebhaft. »Doch vor allem fühle ich mich gedrängt, Eurer Hoheit meinen alleruntertänigsten Dank und meine tiefste Ergebenheit zu Füßen legen zu dürfen.«
»Was wollen Sie damit sagen?« fragte die Fürstin ängstlich. Sie befürchtete ein Entlassungsgesuch.
»Das heißt: allemal, wenn Eure Hoheit gnädigst erlauben, den wackelnden Kopf des Porzellanaffen da auf dem Kaminsims nach rechts zu drehen, soll es mir gestattet sein, jedes Ding beim rechten Namen zu nennen.«
»Weiter nichts als das, meine liebe Duchezza?« rief Clara Paolina, indem sie aufstand und den Affenkopf flugs eigenhändig in die richtige Stellung brachte. »Reden Sie also frank und frei, Frau Oberhofmeisterin!« sagte sie in liebenswürdigem Tone.
»Hoheit haben die Lage völlig richtig erkannt«, begann die Duchezza. »Hoheit und ich gehen den größten Gefahren entgegen. Das über Fabrizzio verhängte Urteil ist durchaus noch nicht aufgehoben; infolgedessen kann man ihn eines Tages, wenn man mich los sein oder Eure Hoheit kränken will, von neuem ins Gefängnis setzen. Unsere Lage ist schlimmer denn je. Was mich persönlich anlangt: ich heirate den Grafen Mosca, und wir lassen uns in Neapel oder in Paris nieder. Die undankbare Behandlung,deren Opfer der Graf augenblicklich ist, hat ihm den Staatsdienst völlig verleidet, und abgesehen von der Rücksicht auf Eure Hoheit, würde ich ihm nur dann raten, in dieser Patsche zu bleiben, wenn ihm der Fürst eine beträchtliche Summe bietet. Ich bitte untertänigst um die Erlaubnis, Eurer Hoheit erklären zu dürfen, daß der Graf hundertdreißigtausend Franken besaß, als er das Ministerium übernahm, und heute hat er kaum zwanzigtausend Lire Rente. Vergeblich habe ich ihn seit langem gedrängt, er solle an sein Vermögen denken. Während meiner Abwesenheit hat er mit den Generalpächtern des Fürsten Händel vom Zaune gebrochen. Es waren Gauner. Der Graf hat sie durch andere Gauner ersetzt, die ihm achthunderttausend Franken dafür geboten haben.«
»Wie?« rief die Fürstin erstaunt. »Mein Gott! Das ist ja empörend!«
»Hoheit,« erwiderte die Duchezza mit größter Gelassenheit, »soll ich dem Affen die Nase wieder nach links drehen?«
»Um Gottes willen nicht!« rief die Fürstin. »Aber ich bin empört, daß sich ein Mann vom Charakter des Grafen auf solche Weise bereichern konnte.«
»Ohne diesen Raub hätten ihn die anständigen Leute ausgelacht!«
»Mein Gott, ist es möglich?«
»Hoheit,« fuhr die Duchezza fort, »mit Ausnahme meines Freundes, des Marchese Crescenzi, der drei-
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