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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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nicht ausliefern wollen; also mußte die Duchezza oder er vom Hofe verschwinden.
    Am Tage jenes Volksaufruhrs, dessen Tatsache zu leugnen neuerdings zum guten Ton gehörte, war Geld unter die Menge verteilt worden. Davon ging Rassi aus. Noch schlechter gekleidet als gewöhnlich, kroch er in den elendesten Häusern der Stadt umher und unterhielt sich stundenlang mit ihren armseligen Bewohnern. Soviel Mühe lohnte sich reichlich. Nach vierzehn Tagen hatte er die Beweise, daß Ferrante Palla der geheime Führer des Aufstandes gewesen war, und mehr noch, daß er, der zeitlebens arm war wie so mancher große Dichter, in Genua acht oder zehn Diamanten verkauft hatte. Unter anderem berichtete man ihm, fünf davon hätten tatsächlich einen Wert von vierzigtausend Franken gehabt; er habe sie aber zehn Tage vor dem Tode des Fürsten, angeblich, weil er Geld brauchte, für fünfunddreißigtausend Franken verkauft. Der Freudenausbruch des Justizministers über diese Entdeckung war unbeschreiblich. Ihm entging nicht, daß man sich am Hofe der Fürstinwitwe täglich über ihn lustig machte, und mehrere Male lachte ihm der Fürst, während er geschäftlich mit ihm zu tun hatte, mit der ganzen Harmlosigkeit seiner Jugend gerade ins Gesicht. Rassi hatte allerdings sonderbare pöbelhafte Angewohnheiten; so schlug er zum Beispiel bei Verhandlungen, die ihn besonders fesselten, die Beine übereinander und spielte mit einem seiner Schuhe. Wuchs seine Anteilnahme, so breitete er sein rotes baumwollenes Schnupftuch über den Schoß, und dergleichen mehr. Der Fürst lachte sich halbtot, als sich eine der hübschesten Frauen aus dem Bürgerstande, die übrigens wußte, was für wohlgeformte Waden sie hatte, den Scherz erlaubte, diese feinen Sitten des Justizministers nachzuahmen.Rassi suchte um einen außerordentlichen Empfang nach und trug dem Fürsten folgendes vor: »Wollen Eure Hoheit mir hunderttausend Franken zur Verfügung stellen, damit ich Genaueres über die Todesart Allerhöchstdero hochseligen Herrn Vaters feststellen kann? Mit dieser Summe wird es sich die Justiz angelegen sein lassen, die Schuldigen zu ergreifen, falls es solche geben sollte.«
    Die Antwort des Fürsten kann man sich denken.
    Einige Tage darauf teilte Cechina der Duchezza mit, man habe ihr eine große Geldsumme geboten, wenn sie die Diamanten ihrer Herrin durch einen Goldschmied untersuchen ließe. Sie hatte sich entrüstet geweigert. Die Duchezza schalt sie deswegen aus, sie hätte sie ruhig zeigen können. Acht Tage später bekam Cechina die Steine zum Zeigen. Am Tage, der für diese Diamantenbesichtigung bestimmt war, ließ Graf Mosca jeden einzelnen Juwelier von Parma durch je zwei sichere Leute beobachten, und um Mitternacht meldete er der Duchezza, daß der neugierige Goldschmied niemand anders war als Rassis Bruder.
    Die Duchezza war an jenem Abend sehr heiter. Man spielte im Schloß eine Commedia dell'arte, das heißt ein Stück, bei dem man nur den Plan der Handlung vereinbart, den Dialog aber der Eingebung der Mitspieler überläßt. In diesem Stück hatte die Duchezza als Liebhaber den Grafen Baldi, den ehemaligen Freund der Marchesa Raversi, die zugegen war. Der Fürst, der schüchternste Mensch seines Landes, aber ein sehr schmucker Junge mit dem zärtlichsten Herzen, studierte die Rolle des Grafen Baldi, die er bei der zweiten Aufführung selber spielen wollte.
    »Ich habe nur sehr wenig Zeit«, sagte die Duchezza zum Grafen. »Ich trete in der ersten Szene des zweiten Aktes auf. Gehen wir in das Vorzimmer!«
    Dort, angesichts von zwanzig Leibgardisten, lauter aufgeweckten Leuten, die bei der Unterhaltung des Premierministers mit der Oberhofmeisterin die Ohren spitzten, sagte die Duchezza lachend zu ihrem Freunde:
    »Sie schelten mich immer aus, wenn ich unnützerweise Geheimnisse ausplaudere. Ich bin es, durch den Ernst V. auf den Thron berufen worden ist. Es handelte sich darum, Fabrizzio zu rächen, der mir damals mehr am Herzen lag als heute, wenn auch stets in aller Unschuld. Ich weiß wohl, daß Sie an diese Unschuld nicht besonders glauben, aber daran liegt wenig, da Sie mich trotz meinen Verbrechen lieben. Wissen Sie, hier haben wir ein regelrechtes Verbrechen. Ich habe alle meine Diamanten einem interessanten Narren namens Ferrante Palla gegeben. Ich habe ihn sogar geküßt, damit er den Mann vernichte, der Fabrizzio vergiften lassen wollte. Was ist Schlimmes dabei?«
    »Aha! Daher hatte also Ferrante das Geld für seinen Aufstand!«

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