Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
Vom Netzwerk:
Rassi, den ich am Tage des großen Umsturzes wie einen Schurken behandelt habe. Er ist ja auch einer. Ich teile dir übrigens mit, daß man alles hier Vorgefallene totgeschwiegen hat. Wenn du unser Tageblatt liest, wirst du erfahren, daß ein Schreiber von der Zitadelle, namens Barbone, durch einen Sturz aus dem Wagen gestorben ist. Was die sechzig und soundsoviel Schelme anbelangt, die ich bei ihrem Sturm auf das Standbild von Serenissimus im Hofe habe niederknallen lassen, so soll es ihnen allen wohl gehen;nur sind sie auf Reisen. Der Graf Zurla, Minister des Inneren, hat sich in eigener Person in die Wohnung jedes dieser unglücklichen Helden begeben und ihren Angehörigen oder Freunden je fünfzehn Zechinen zurückgelassen, mit der Weisung, zu sagen, der Verstorbene sei auf Reisen, natürlich unter der hochnotpeinlichen Androhung von Gefängnis, wenn man sich unterstünde, verlauten zu lassen, daß der Betreffende erschossen worden ist. Ein Beamter aus meinem eigenen Amtsbereich, aus dem Ministerium des Äußeren, ist zur Unterhandlung mit den Zeitungsleuten von Mailand und Turin entsandt worden, damit die beklagenswerten Vorfälle – wie der genehmigte Ausdruck lautet – nicht erwähnt werden. Derselbe Mann soll bis Paris und London eilen, um in allen Zeitungen amtlich in Abrede zu stellen, daß Unruhen bei uns stattgefunden haben. Ein zweiter Geschäftsträger ist auf dem Wege nach Bologna und Florenz. Ich habe den Kopf geschüttelt.
    Aber etwas Drolliges für mein Alter ist es, daß ich einen Anfall von Begeisterung gehabt habe, als ich eine Ansprache an die Soldaten der Garde hielt und dem General Pillone, diesem Feigling, die Epauletten von den Schultern riß. In jenem Augenblick hätte ich ohne Zaudern mein Leben für den Fürsten hingegeben. Ich gestehe jetzt, es wäre eine recht dumme Todesart gewesen. Heute gäbe der Fürst, so gutmütig dieser junge Mann ist, hundert Taler darum, wenn ich an irgendeiner Krankheit stürbe. Noch wagt er nicht, mich um mein Abschiedsgesuch zu bitten, aber wir sprechen uns so selten wie möglich. Die paar nebensächlichen Berichte bekommt er auf schriftlichem Wege, wie ich das beim hochseligen Serenissimus nach Fabrizzios Verhaftung gehandhabt habe. Übrigens habe ich aus dem gegen ihn gefällten Urteil noch keine Lockenwickel drehen können, aus dem guten Grunde, weil dieser Halunke, der Rassi, es mir noch gar nicht ausgehändigt hat. Sie haben also sehr richtig gehandelt, Fabrizzio zu hindern, daß er hier in aller Formeinzieht. Das Urteil ist noch immer rechtsgültig. Ich glaube zwar nicht, daß Rassi es wagt, unsern Neffen heute verhaften zu lassen, aber möglicherweise wagt er es in vierzehn Tagen. Wenn Fabrizzio darauf besteht, in die Stadt zurückzukehren, dann soll er bei mir Wohnung nehmen.«
    »Und der Grund von alledem?« fragte die Duchezza erstaunt.
    »Man hat dem Fürsten eingeredet, ich trachtete danach, mir das Ansehen eines Diktators und Retters des Vaterlandes zu geben und ihn wie ein Kind am Gängelbande zu führen. Mehr noch, ich soll über ihn gesprochen und dabei das peinliche Wort ›dieses Kind‹ gebraucht haben. Das mag ja vielleicht wahr sein; ich war an jenem Tage außer mir. So sah ich in ihm zum Beispiel einen Helden, weil er bei den ersten Gewehrschüssen, die er in seinem Leben hörte, wirklich nicht allzuviel Angst hatte. Es fehlt ihm durchaus nicht an Geist; er hat sogar einen besseren Ton als sein Vater. Schließlich ist er im Grunde seines Herzens anständig und gutmütig. Ich kann das nicht oft genug wiederholen. Aber sein schlichtes Kinderherz gerät in Zuckungen, wenn ihm jemand einen Gaunerstreich erzählt. Gleich denkt er, man müsse selber eine ganz schwarze Seele haben, weil man solche Sachen bemerkt. Sie wissen ja, was für eine Erziehung er gehabt hat.«
    »Eccellenza hätte bedenken sollen, daß er eines Tages Landesherr werden würde, und ihm einen geistvollen Mann beigeben sollen!«
    »Erstens haben wir das Beispiel des Abbes de Condillac, der von meinem Vorgänger, dem Marchese di Felino, berufen ward und der aus seinem Zögling nichts gemacht hat als den König der Toren. Er zog bei den Prozessionen einher, und im Jahre 1796 verstand er es nicht, sich mit dem General Bonaparte gut zu stellen, der die Ausdehnung seines Landes verdreifacht hätte.
    Zweitens habe ich niemals geglaubt, daß ich zehn Jahre hintereinander Minister bleiben würde. Jetzt, da ich dieganze Geschichte satt habe, und besonders seit vier Wochen, will

Weitere Kostenlose Bücher