Die Kartause von Parma
Duchezza!« erklärte der Fürst zornig. »Nehmen Sie meine Verachtung mit auf den Weg!«
Als er ging, sagte sie ihm mit leiser Stimme: »So sei es! Stellen Sie sich heute abend um zehn Uhr hier ein, im strengsten Inkognito. Aber Sie gehen einen schlechten Handel ein. Sie werden mich zum letzten Male zu sehen bekommen, und ich hätte Ihnen mein Leben geweiht, um Sie glücklich zu machen, wie es ein absoluter Fürst in unserem Jakobinerjahrhundert nur sein kann. Und denken Sie daran, was aus Ihrem Hofe wird, wenn ich nicht mehr hier bin. Er wird wieder in seine gewohnte Fadheit und Bösartigkeit zurücksinken.«
»Und Sie, Sie weisen die Krone Parmas zurück, und mehr als die Krone, denn Sie wären nicht wie eine gewöhnliche Prinzessin, die man nicht liebt, aus Politik geheiratet worden. Mein ganzes Herz gehört Ihnen, und Sie wären auf ewig die unumschränkte Herrin meiner Taten wie meines Landes geworden.«
»Jawohl, aber die Fürstin, Ihre Frau Mutter, hätte das Recht gehabt, mich wie eine gemeine Ränkeschmiedin zu verachten.«
»Dann hätte ich die Fürstin mit einem Jahresgehalt außer Landes geschickt.«
Noch drei viertel Stunden währte diese bedeutsame Aussprache. Der Fürst, der eine zarte Seele hatte, konnte sich weder dazu entschließen, von seinem Recht Gebrauch zu machen, noch dazu, die Duchezza abreisen zu lassen. Man hatte ihm gesagt, wenn man sich eine Frau einmal zu eigen gemacht habe, gleichgültig wie, sei sie auf ewig gefesselt.
Von der empörten Duchezza verjagt, wagte er es, am ganzen Leibe zitternd und tief unglücklich, drei Minuten vor zehn Uhr wiederzukommen. Um halb elf stieg die Duchezza in ihren Reisewagen und fuhr nach Bologna. Sobald sie außerhalb des Landes war, schrieb sie an den Grafen Mosca:
Acht Tage darauf wurde die Hochzeit in Perugia gefeiert, in einer Kirche, wo die Vorfahren des Grafen beigesetzt waren. Der Fürst war in Verzweiflung. Er hatte der Duchezza drei oder vier Eilboten gesandt, aber sie hatte ihm seine Briefe in ihren uneröffneten Umschlägen zurückgeschickt. Ernst V. bewilligte dem Grafen eine fürstliche Pension und verlieh Fabrizzio das Großkreuz seines Hausordens.
»Eins hat mir beim Abschied ganz besonders gefallen«, sagte der Graf zur neubackenen Gräfin Mosca della Rovere. »Wir sind als die besten Freunde von der Welt auseinandergegangen. Er hat mir ein spanisches Großkreuz verliehen und die Diamanten dazu, die mindestens ebensoviel Wert haben. Er hat mir gesagt, er würde mich zum Duca machen, aber das wolle er sich als Mittel vorbehalten, um Sie in sein Land zurückzurufen. Ich bin also beauftragt – eine schöne Aufgabe für einen Gatten –, Ihnen zu erklären, wenn Sie die Gnade hätten, nach Parma zurückzugehen, und wäre es nur für einen Monat, so würde ich Duca mit einem Namen, den Sie wählen könnten, und Sie sollen ein hübsches Landgut bekommen.«
Mit wahrem Abscheu wies das die Duchezza von sich. –
Nach jenem Erlebnis auf dem Hof ball schien sich Clelia nicht mehr der Liebe zu erinnern, die sie eine Zeit lang sichtlich geteilt hatte. Die heftigste Reue hatte ihre tugendsameund gläubige Seele ergriffen. Das wußte Fabrizzio sehr wohl, und trotz allen Hoffnungen, die er sich zu machen versuchte, verfiel seine Seele wieder in düstere Schwermut. Aber er konnte sich diesmal mit seinem Unglück nicht in ein Kloster vergraben, wie damals, als Clelias Verheiratung bevorstand.
Der Graf hatte seinen Neffen gebeten, ihn genauestens über die Ereignisse am Hofe auf dem laufenden zu halten, und Fabrizzio, der zu begreifen begann, was er ihm alles schuldete, hatte versprochen, diesem Auftrag nach bestem Wissen nachzukommen.
Ebenso wie die Stadt und der Hof zweifelte Fabrizzio nicht daran, daß sein Freund die Absicht hegte, das Ministerium wieder zu übernehmen, und zwar mit größerer Macht denn je. Die Voraussagen des Grafen wurden bald zur Wirklichkeit. Kaum sechs Wochen nach seinem Weggang war Rassi Premierminister, Fabio Conti Kriegsminister, und die Gefängnisse, die unter dem Regime des Grafen beinahe leer geworden waren, füllten sich von neuem. Mit der Berufung dieser Leute in hohe Posten glaubte sich der Fürst an der Duchezza zu rächen. Er war toll vor Liebe und haßte besonders den Grafen Mosca wie einen Nebenbuhler. –
Fabrizzio hatte viel zu tun. Monsignore Landriani, der zweiundsiebzig Jahre zählte, war im höchsten Grade altersschwach geworden und vermochte seinen Palazzo kaum mehr zu verlassen. So mußte er
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