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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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beobachtete sie alle seine Bewegungen.
    Nach dem Konzert sah sie, wie Fabrizzio an den Spieltisch des Fürsten herantrat, der etliche Schritte vom Throne aufgestellt war. Sie atmete auf, als Fabrizzio sich nun so weit von ihr befand. Aber der Marchese Crescenzi war beleidigt, daß seine Frau so abseits saß. Er bemühte sich mehrfach, eine Dame, die den dritten Lehnsessel neben der Fürstinwitwe inne hatte und deren Gatte ihm Geld schuldete, zum Platzwechsel mit der Marchesa zu überreden. Die Ärmste widersetzte sich dem natürlich, und Crescenzi mußte den Gatten und Schuldner holen, der seiner Ehehälfte ein ernstes Wörtchen zuflüsterte, worauf der Marchese schließlich das Vergnügen hatte, den Platzwechsel durchzusetzen. Er holte seine Frau.
    »Sie sind immer allzu bescheiden«, sagte er zu ihr. »Warum gehen Sie stets mit so niedergeschlagenen Blicken? Man wird Sie für eine von den Bürgerlichen halten, die verblüfft sind, bei Hofe zu sein, und über deren Erscheinen sich jedermann aufhält. Die verrückte Oberhofmeisterin macht doch keine anderen aus ihnen! Und da spricht man vom Rückgang des Jakobinertums! Denken Sie daran, daß Ihr Gatte die erste männliche Charge im Hofstaat Ihrer Hoheit einnimmt! Und selbst wenn es den Republikanern je gelingen sollte, den Hof und selbst den Adel abzuschaffen, so bliebe Ihr Gatte immer noch der reichste Mann in diesem Lande. Das sind Grundsätze, deren Sie sich nicht genug bewußt sind.«
    Der Lehnsessel, auf den seine Frau zu setzen der Marchese das Vergnügen hatte, stand nur sechs Schritt vom Spieltisch des Fürsten entfernt. Clelia konnte Fabrizzio nur von der Seite sehen, aber sie fand ihn so abgemagert,er hatte vor allem eine so gleichgültige Miene gegen alles, was sich um ihn her zutrug, er, der sonst nicht das geringste Ereignis ohne eine Bemerkung vorübergehen ließ, daß sie schließlich zu der schrecklichen Folgerung gelangte, Fabrizzio sei durch und durch anders geworden; er habe sie vergessen. Seine auffällige Magerkeit sei die Wirkung des strengen Fastens, das er sich aus Frömmigkeit auferlege. In diesem traurigen Gedanken wurde Clelia durch die Gespräche der Umsitzenden bestärkt. Der Name des Koadjutors war in aller Munde. Man zerbrach sich den Kopf über den Anlaß der ungeheueren Auszeichnung, die ihm zuteil geworden war, daß er, ein so junger Mann, zum Whist mit Serenissimus befohlen war! Man bewunderte die höfliche Gleichgültigkeit und die vornehmen Gesten, mit denen er die Karten gab, selbst wenn der Fürst abhob.
    »Das ist kaum zu glauben!« zischelten alte Hofschranzen. »Das Glück seiner Tante hat ihm den Kopf gänzlich verdreht. Aber, Gott sei Dank, das wird nicht von langer Dauer sein. Unser Monarch liebt solch überlegenes Auftreten gar nicht.«
    Die Duchezza näherte sich dem Fürsten. Die Kavaliere, die sich in gehöriger Entfernung vom Spieltisch hielten, so daß sie von Allerhöchstdero Gespräch nur hier und da etliche Brocken aufschnappen konnten, beobachteten wie Fabrizzio plötzlich über und über errötete. »Seine Tante wird ihm einen Rüffel erteilt haben«, tuschelte man, »wegen seines gleichgültigen Getues.« In Wirklichkeit hatte Fabrizzio Clelias Stimme vernommen. Sie war von der Fürstin, die ihre Runde durch den Saal machte, als Gemahlin ihres Kammerherrn angesprochen worden.
    Am Whisttisch wurden eben die Plätze gewechselt; nun saß Fabrizzio Clelia Auge in Auge gegenüber. Hin und wieder überließ er sich dem Glück, sie zu betrachten. Die arme Marchesa, die sich von ihm beobachtet fühlte, verlor alle Fassung. Etliche Male vergaß sie ihr Gelübde;in ihrem Verlangen, zu erraten, was in seinem Herzen vorging, wandte sie ihre Augen nicht von ihm ab.
    Die Whistpartie des Fürsten war zu Ende. Die Damen erhoben sich, um in den Speisesaal zu gehen. Es entstand etwas Unordnung. Fabrizzio geriet in Clelias nächste Nähe. Noch war er fest entschlossen, da merkte er das ganz schwache Parfüm, das Clelias Kleidern anhaftete. Diese Wahrnehmung warf alle seine Vorsätze über den Haufen. Er näherte sich ihr und flüsterte, als ob er leise mit sich selbst spräche, zwei Verse aus dem Sonett Petrarcas vor sich hin, das er ihr vom Lago Maggiore, auf ein seidenes Taschentuch gedruckt, zugesandt hatte:
    Wie war ich glücklich damals, da die Welt Mich wähnt' im Unglück! Ach, wie hat sich doch Mein Los gewandt!
    ›Nein! Er hat mich kein bißchen vergessen!‹ jubelte Clelia voll Glücksüberschwang. ›Seine edle Seele

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