Die Kartause von Parma
es reiflich, mein Fürst! Gibt es in Ihrem ganzen Leben eine Zeit, die so glücklich gewesen wäre wie die vier jetzt verflossenen Monate? Ihr Ruhm als Monarch, und – ich wage es zu sagen –, Ihr Glück als liebenswürdiger Mensch sind zu keiner Zeit erhabener gewesen. Ich will Ihnen folgenden Vorschlag machen; wenn Sie gnädigst darauf eingehen, werde ich nicht Ihre Mätresse für einen flüchtigen Augenblick und kraft einesmir in der Angst abgerungenen Eides sein, will aber dafür jede Minute meines Lebens der Förderung Ihres Glückes widmen und immer bleiben, was ich seit vier Monaten gewesen bin. Und wer weiß, ob nicht die Liebe die Freundschaft krönt! Ich möchte das Gegenteil nicht beschwören!«
»Es sei!« sagte der Fürst entzückt. »Spielen Sie eine andere Rolle! Sie sollen noch mehr sein! Regieren Sie über mich und meine Lande; seien Sie mein Premierminister! Ich biete Ihnen eine Ehe an, wie sie die traurige Rücksicht auf meinen Rang zuläßt. Wir haben ein Gegenstück zu unserem Fall. Der König von Neapel hat jüngst die Duchezza di Partana geheiratet. Ich biete Ihnen alles an, was mir möglich ist, eine Ehe der gleichen Art. Lassen Sie mich eine traurige politische Betrachtung daran anknüpfen, um Ihnen zu zeigen, daß ich kein Kind mehr bin und daß ich alles bedacht habe. Ich mache kein Aufhebens von dem Opfer, das ich mir auferlege, der letzte Herrscher meines Hauses zu sein, noch von dem Schmerz, zu meinen Lebzeiten sehen zu müssen, wie die Großmächte über meine Nachfolge verfügen. Ich segne diese wirklich großen Widerwärtigkeiten, weil sie mir ein Mittel bieten, Ihnen meine Hochachtung und meine Liebe zu beweisen.«
Die Duchezza zauderte keine Minute. Der Fürst langweilte sie, und der Graf kam ihr über alles liebenswert vor. Es gab in der ganzen Welt nur einen einzigen Mann, den sie ihm vorzuziehen imstande war. Überdies beherrschte sie den Grafen, während der Fürst, den Forderungen seines Standes unterworfen, mehr oder minder über sie herrschen würde. Obendrein konnte er wankelmütig werden und sich Mätressen anschaffen. Der Altersunterschied würde ihm in wenigen Jahren das Recht dazu geben.
Gleich im ersten Augenblick hatte die Aussicht, sich langweilen zu sollen, alles entschieden. Trotzdem bat sich die Duchezza, um liebenswürdig zu sein, Bedenkzeit aus.
Es wäre zu weitschweifig, wollten wir hier alle die klugen und fast zärtlichen Worte und die grenzenlos höfischenAusdrücke wiederholen, in die sie ihre Weigerung zu kleiden verstand. Der Fürst geriet in Zorn; er sah sich seines ganzen Glückes beraubt. Was sollte werden, wenn die Duchezza seinen Hof verließ? Welche Demütigung übrigens für ihn, einen Korb zu bekommen! »Und schließlich, was wird mein französischer Kammerdiener sagen, wenn ich ihm von meiner Niederlage erzähle?«
Die Duchezza wußte den Fürsten geschickt zu beschwichtigen und die Verhandlung allmählich ihrem wahren Ziele zuzuführen.
»Wenn Eure Hoheit geruhen wollen, mich nicht zur Erfüllung meines peinlichen Versprechens zu drängen, das in meinen Augen abscheulich erscheint und mich zur Selbstverachtung führen müßte, so will ich zeitlebens an Allerhöchstdero Hofe verweilen, und dieser Hof wird immer so bleiben wie in diesem Winter. Jeden Augenblick will ich dem Glück Eurer Hoheit als Menschen und Ihrem Ruhm als Herrscher widmen. Wenn Sie aber fordern, daß ich meinen Schwur halten soll, so ist der Rest meines Lebens geschändet, und ich werde zur nämlichen Stunde Ihre Lande verlassen, um niemals zurückzukehren. An dem Tage, an dem ich meine Ehre verliere, werden wir uns zum letzten Male gesehen haben!«
Aber der Fürst war wie alle zaghaften Menschen halsstarrig. Übrigens war sein Stolz als Mann und als Monarch durch die Abweisung seiner Hand verletzt. Er überdachte alle Schwierigkeiten, die er zu überwinden gehabt hätte, um diese Heirat durchzusetzen, und die zu besiegen er doch entschlossen gewesen war.
Drei Stunden lang wiederholte man sich beiderseits dieselben Gesichtspunkte, in die sich des öfteren sehr erregte Worte mengten. Der Fürst rief aus: »So soll ich also glauben, gnädige Frau, daß es Ihnen an Ehrgefühl mangelt? Wenn ich ebensolange gezögert hätte, als der General Fabio Conti Fabrizzio Gift vorsetzte, so wären Sie heute damit beschäftigt, ihm in einer der Kirchen Parmas ein Grabmal zu bauen.«
»Nicht in Parma, sicherlich nicht in diesem Lande der Giftmischerei!«
»Gut! Reisen Sie ab,
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