Die Kartause von Parma
ist durchaus nicht wankelmütig!‹ Und sie wagte es, zwei andere Verse Petrarcas leise zu wiederholen:
Nein, ihr seht mich niemals wankelmütig, Schöne Augen, die mich lieben lehrten!
Sofort nach dem Abendessen zog sich die Fürstin zurück. Der Fürst geleitete sie bis an ihre Gemächer und zeigte sich dann nicht wieder in den Gesellschaftsräumen. Sobald dies bekannt wurde, wollte alle Welt mit einem Male aufbrechen. In den Vorzimmern entstand ein völliges Durcheinander.Wiederum kamen Clelia und Fabrizzio einander nahe. Das tiefe Unglück, das sich in seinen Zügen widerspiegelte, stimmte Clelia mitleidig. »Vergessen wir die Vergangenheit!« flüsterte sie ihm zu. »Und nehmen Sie dieses Pfand der Freundschaft!« Mit diesen Worten hielt sie ihm ihren Fächer so hin, daß er ihn nehmen konnte.
Für Fabrizzio war die Welt mit einem Schlage ganz verändert. Er war ein neuer Mensch geworden. Bereits am anderen Tage erklärte er sein Retiro für beendet und kehrte in seine prächtige Wohnung im Palazzo Sanseverina zurück. Der Erzbischof sagte und glaubte, die Hulddes Fürsten, ihn zum Spiel zu befehlen, habe dem neuen Heiligen den Kopf verdreht.
Die Duchezza erkannte, daß er mit Clelia im Einverständnis war. Diese Einsicht verdoppelte die Qualen, die ihr die Erinnerung an ein schicksalsvolles Versprechen bereitete, und bestärkte sie in ihrem Entschluß, zu verreisen. Man hielt sie für verrückt. »Wie,« hieß es, »sie will sich jetzt vom Hofe entfernen, wo sie der Gegenstand der grenzenlosesten Gunst ist?«
Der Graf, der überglücklich war, seit er genau wußte, daß zwischen Fabrizzio und der Duchezza keine Liebe bestand, sagte zu seiner Freundin:
»Der junge Fürst ist die fleischgewordene Tugend, aber ich habe ihn ›dieses Kind‹ genannt. Wird er mir das je verzeihen? Ich weiß nur ein Mittel, mich wieder völlig mit ihm zu versöhnen; es heißt: weggehen! Ich werde mich dankbarst und ehrfurchtvollst benehmen; dann melde ich mich krank und reiche meinen Abschied ein. Sie werden es mir erlauben, da Fabrizzios Glück gesichert ist. Aber werden Sie mir das Riesenopfer bringen,« fügte er lachend hinzu, »den erlauchten Titel Duchezza gegen einen anderen recht minderwertigen einzutauschen? Um einen Spaß zu haben, übergebe ich die Geschäfte in tollster Verwirrung. Fünf oder sechs gute Arbeiter in meinen verschiedenen Amtsbereichen habe ich vor zwei Monaten in den Ruhestand versetzen lassen, weil sie sich französische Zeitungen hielten. Ich habe an ihre Stelle unglaubliche Dummköpfe gesetzt.
Nach unserer Abreise wird der Fürst in solche Verlegenheit geraten, daß er sich trotz allem Abscheu vor Rassis Charakter zweifellos genötigt sehen wird, ihn zurückzurufen. Ich harre nur eines Befehls des Despoten, der über mein Schicksal entscheiden soll, um meinem Freunde Rassi einen Brief voll zärtlicher Freundschaft zu schreiben und ihm mitzuteilen, daß ich allen Anlaß hätte, zu hoffen, man werde seinen Verdiensten bald Gerechtigkeit widerfahren lassen.«
Siebenundzwanzigstes Kapitel
Diese ernste Unterredung fand am Tage nach Fabrizzios Wiedereinzug in den Palazzo Sanseverina statt. Die Duchezza stand noch ganz unter dem Eindruck der Freude, die aus allem, was Fabrizzio tat, hervorleuchtete. ›Also‹, sagte sie sich, ›hat mich diese kleine Betschwester getäuscht! Sie hat ihrem Geliebten keine drei Monate widerstanden.‹
Die sichere Erwartung eines glücklichen Ausganges hatte einem so kleinmütigen Menschenkinde wie dem jungen Fürsten den Mut zur Liebe verliehen. Er hatte einige Kenntnis von den Reisevorbereitungen im Palazzo Sanseverina, und sein französischer Kammerdiener, der von der Tugend hoher Damen keine gute Meinung hatte, feuerte seinen Mut der Duchezza gegenüber an. Ernst V. erlaubte sich einen Schritt, der von der Fürstinwitwe und allen streng denkenden Leuten am Hofe höchlichst mißbilligt wurde. Das Volk sah darin den Gipfelpunkt der erstaunlichen Gunst, deren sich die Duchezza erfreute. Der Fürst fuhr zum Besuche vor ihrem Palazzo vor.
»Sie reisen ab!« sagte er zu ihr in einem ernsten Ton, den die Duchezza nicht ausstehen konnte. »Sie reisen ab! Sie wollen mich verraten und Ihren Eid brechen! Und doch, wenn ich nur zehn Miauten gezögert hätte, Ihnen Fabrizzios Begnadigung zu gewähren, wäre er tot. Und mich lassen Sie unglücklich! Ohne Ihren Schwur hätte ich nie den Mut gehabt, Sie zu lieben, wie ich es tue! Sie haben also kein Ehrgefühl!«
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