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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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sich in Italien auf diese Dichtart. Es ist der einzige Zweig in der Literatur, der noch ein wenig in Blüte steht; freilich ist er nicht der Zensur unterworfen. Die Höflinge der Casa Crescenzi kündigten ihre Verse immer mit folgenden Worten an: »Gestattet die Frau Marchesa, daß man in ihrer Gegenwart ein recht böses Sonett vorträgt?« Wenn dann das Sonett Heiterkeit erregte und zwei- bis dreimal wiederholt wurde, verfehlte einer der Offiziere nicht, laut zu bemerken: »Der Herr Polizeiminister hätte eigentlich die Pflicht, die Verfasser solcher Schändlichkeiten ein bißchen aufzuknüpfen.« Dagegen nimmt man in bürgerlichen Kreisen diese Sonette mit unverhohlener Bewunderung auf, und die Gerichtsschreiber verkaufen Abschriften davon.
    Auf Grund jener Art Neugierde, die Gonzo an der Marchesa beobachtet hatte, bildete er sich ein, man hätte in ihrer Gegenwart die Schönheit der kleinen Marini, die übrigens Millionärin war, allzu hoch gepriesen, und sie sei eifersüchtig auf sie. Da Gonzo mit seinem wächsern Lächeln und seinem maßlosen Dünkel gegenüber allenNichtadligen überall Eintritt fand, so erschien er bereits anderntags wissensträchtig im Salon der Marchesa. Er hielt seinen Federhut wie ein Triumphator, so wie er ihn im Jahre nur ein- oder zweimal trug, wenn Serenissimus, allergnädigst zu ihm gesagt hatte: »Leben Sie wohl, Gonzo!«
    Nachdem Gonzo die Marchesa ehrerbietigst begrüßt hatte, zog er sich nicht wie sonst zurück, um in dem ihm angebotenen Lehnstuhl Platz zu nehmen; er stellte sich vielmehr mitten unter die Gesellschaft und platzte rücksichtslos heraus: »Ich habe das Bildnis des Monsignore del Dongo gesehen!«
    Clelia war dermaßen betroffen, daß sie sich auf die Lehne ihres Armstuhles stützen mußte. Sie versuchte dem inneren Sturm Trotz zu bieten, sah sich aber bald gezwungen, hinauszugehen.
    »Man muß gestehen, mein armer Gonzo,« sagte laut einer der Offiziere, der eben seinen vierten Teller Eis gelöffelt hatte, »Sie sind von seltener Ungeschicklichkeit! Wissen Sie denn nicht, daß der Herr Koadjutor, der übrigens einer der tapfersten Obersten in der Armee Napoleons war, unlängst dem Vater der Marchesa einen Streich gespielt hat, der ihn hätte an den Galgen bringen können? Er hat die Zitadelle verlassen, wo der General Conti Kommandant war, als ob es die Steccata wäre.« (Das ist die Hauptkirche Parmas.)
    »Ich weiß tatsächlich manche Dinge nicht, mein lieber Hauptmann. Ich bin ein armer Tor, der den ganzen Tag Böcke schießt!«
    Diese nach italienischem Geschmack gegebene Antwort brachte auf Kosten des vornehmen Offiziers die Lacher auf Gonzos Seite. Alsbald trat die Marchesa wieder ins Zimmer. Sie hatte Mut gefaßt und hoffte fast ein wenig, das Bildnis Fabrizzios mit eigenen Augen bewundern zu dürfen. Man sagte, es sei hervorragend. Sie war von dem Können des Malers Hayez völlig überzeugt. Unbewußt gönnte sie Gonzo ein reizendes Lächeln, der boshaft demOffizier zublinzelte. Da sich alle anderen Höflinge des Hauses demselben Vergnügen hingaben, ergriff der Offizier die Flucht, nicht ohne Gonzo ewige Rache zu schwören. Gonzo blieb als Sieger auf dem Schlachtfeld und erhielt abends beim Abschied eine Einladung zum Mittagessen für den nächsten Tag.
    »Es wird immer besser!« rief Gonzo am anderen Tage nach dem Essen, als die Dienerschaft hinaus war. »Unser Koadjutor ist in die kleine Marini verliebt!«
    Man kann sich die Verwirrung in Clelias Herzen vorstellen, als sie eine so wunderliche Mär vernahm. Selbst der Marchese war unruhig.
    »Aber Gonzo, bester Freund, Sie faseln wie gewöhnlich! Sie sollten doch mit etwas mehr Zurückhaltung von einer Persönlichkeit sprechen, die elfmal die Ehre gehabt hat, mit Serenissimus Whist zu spielen.«
    »Gewiß, gewiß, Marchese«, erwiderte Gonzo in der plumpen Art und Weise der Leute seines Schlages. »Bei meiner Ehre, – er hat es fertig gebracht, auch mit der kleinen Marini sein Spiel zu spielen. Jedoch genügt es mir, zu wissen, daß Ihnen diese Einzelheiten mißfallen; es gibt sie nicht mehr für mich, der ich vor allem meinen verehrten Marchese nicht ärgern will.«
    Immer nach dem Mittagessen zog sich der Marchese zurück, um Siesta zu halten. An diesem Tage dachte er nicht daran; aber Gonzo hätte sich eher die Zunge abgebissen, als daß er noch etwas mehr von der kleinen Marini erzählt hätte. Aber jedesmal, wenn er ein neues Thema begann, fädelte er es so schlau ein, daß der Marchese hoffen

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