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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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Stand treten und sich höchster Tugend befleißigen wollte, so mache ich ihn irgendwo zum Bischof und später hier zum Erzbischof, wenn ich dann noch die Macht habe. Der einzige stichhaltige Einwand wäre der: Bleibe ich lange genug Minister, um diesen schönen Plan zu verwirklichen, der mehrere Jahre erfordert? Der Fürst kann sterben; er kann den dummen Einfall haben, mich zu entlassen. Aber es ist der einzige Weg, auf dem ich aus Fabrizzio etwas machen kann, was Ihrer würdig wäre.«
    Man erwog den Plan lange hin und her; er war der Duchezza stark zuwider.
    »Beweisen Sie mir,« sagte sie zum Grafen, »daß jede andere Laufbahn für Fabrizzio unmöglich ist!«
    Der Graf bewies es.
    »Sie bedauern,« schloß er, »daß er keine glänzende Uniform tragen wird; aber das kann ich nicht ändern.«
    Nach vier Wochen Bedenkzeit fügte sie sich seufzend in die weisen Vorschläge des Ministers.
    »Entweder reitet er blasiert seinen Vollblüter in irgendeiner Großstadt,« wiederholte der Graf, »oder er ergreift einen Beruf, der sich mit seinem Namen nicht verträgt. Einen Mittelweg finde ich nicht. Es ist ein Unglück, daß ein Edelmann heutzutage nicht Arzt und nicht Advokat werden kann. Das neunzehnte Jahrhundert ist den Rechtsverdrehern günstig.«
    »Erinnern Sie sich auch immer daran, gnädige Frau,« fügte Mosca hinzu, »daß Sie Ihrem Neffen auf dem Pflaster Mailands das Schicksal aller bevorzugten jungen Leute bereiten. Sobald er seine Begnadigung erlangt hat, geben Sie ihm fünfzehn-, zwanzig-, dreißigtausend Franken. Sie haben es ja. Wir wollen alle beide keine Ersparnisse machen.«
    Die Herzogin war für Ruhm empfänglich. Sie wollte nicht, daß Fabrizzio ein bloßer Geldvertuer werde. Das führte sie auf den Plan ihres Geliebten zurück.
    »Bedenken Sie,« sagte der Graf, »daß ich aus Fabrizzio keinen typischen Priester machen will, wie sie in Massen umherlaufen. Nein, er soll vor allem ein Grandseigneur werden. Er kann vollkommen Ignorant bleiben, wenn ihm das Spaß macht, und dabei doch Bischof und Erzbischof werden; nur muß der Fürst in mir weiterhin einen nützlichen Menschen sehen.
    Sobald Ihre Befehle meinen Vorschlag in eine unumstößliche Verfügung verwandelt haben,« setzte der Graf hinzu, »soll Parma unseren Schützling keinesfalls in ärmlichen Verhältnissen erblicken. Wenn er als einfacher Priester aufträte, so wäre das ein Fehler. Er darf in Parma nur in violetten Strümpfen [in violetten Strümpfen: In Italien werden junge Leute mit Konnexion oder besonderer Gelehrsamkeit Monsignore und Prälat und dürfen die violetten Strümpfe tragen, obwohl sie nicht Bischof sind. Um Monsignore zu werden, braucht man kein Priestergelübde abzulegen; man kann die violetten Strümpfe wieder ablegen und heiraten. (Stendhal.)] auftauchen und mit entsprechendem Lebenszuschnitt. Dann wird jedermann von vornherein erraten, daß Ihr Neffe Bischof werden soll, und kein Mensch hat etwas dagegen. Wenn Sie auf meinen Rat hören wollen, so lassen Sie Fabrizzio Theologie studieren und schicken ihn drei Jahre nach Neapel. Seineakademischen Ferien kann er in Paris und London verleben, wenn er will; nur darf er sich niemals in Parma zeigen.«
    Diese Forderung gab der Duchezza einen Stich ins Herz. Sie schickte ihrem Neffen einen Eilboten und bestellte ihn zu einer Zusammenkunft nach Piacenza. Es bedarf wohl keiner Erwähnung, daß dieser Bote zugleich der Überbringer der nötigen Pässe und Geldmittel war.
    Fabrizzio kam vor der Duchezza in Piacenza an. Er eilte seiner Tante entgegen und umarmte sie so leidenschaftlich, daß sie in Tränen zerfloß. Sie war froh, daß der Graf nicht zugegen war. Es war das erste Mal, seit sie mit ihm ein Liebesverhältnis hatte, daß diese Empfindung sie befiel.
    Fabrizzio war tief bewegt und dann tief betrübt über die Pläne, die die Duchezza mit ihm vorhatte. Es war immer seine Hoffnung gewesen, schließlich Soldat zu werden, wenn die Geschichte von Waterloo ins reine gebracht wäre. Ein Umstand setzte die Herzogin in Erstaunen und bestärkte sie in dem romantischen Urteil, das sie sich über ihren Neffen gebildet hatte: er zeigte durchaus keine Neigung, ein Kaffeehausleben in einer italienischen Großstadt zu führen.
    »Du könntest dich auf dem Korso von Florenz oder Neapel mit englischen Vollblutpferden sehen lassen«, sagte die Duchezza zu ihm. »Du könntest einen Wagen haben, eine hübsche Wohnung und so weiter!«
    Voller Entzücken verweilte sie bei der Schilderung

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