Die Kartause von Parma
man nicht ohne weiteres hinweggehen«, erklärte der Graf seiner Freundin. »Ich halte siezu allem fähig. Ich habe mich einzig deshalb von meiner Frau getrennt, weil die Raversi darauf versessen war, ihr den Cavaliere Bentivoglio, einen ihrer Freunde, als Servente zuzuschieben.«
Diese Dame, ein Mannweib mit tiefschwarzem Haar, auffällig durch ihre Brillanten, die sie von früh an trug, und durch ihre Schminke, hatte sich im voraus für eine Feindin der Duchezza erklärt und benutzte deren ersten Besuch, um den Krieg zu beginnen. Der Duca di Sanseverina hatte in den Briefen, die er aus ... schrieb, so sehr von seinem Gesandtschaftsposten und vor allem von seiner Aussicht auf das Großkreuz geschwärmt, daß seine Verwandten Angst bekamen, er könne einen Teil seines Vermögens seiner Gattin vermachen, die er mit kleinen Geschenken überhäufte. Trotz ihrer ausgesprochenen Häßlichkeit hatte die Raversi zum Liebhaber den Grafen Baldi, den hübschesten Mann am ganzen Hofe; es gelang ihr eben in der Hauptsache alles, was sie sich vornahm.
Die Duchezza machte ein sehr großes Haus. Der Palazzo Sanseverina war von jeher einer der großartigsten Parmas, und der Duca hatte bei seiner Ernennung zum Gesandten und als künftiger Großkomtur eine Riesensumme zu weiterer Verschönerung ausgesetzt; die Herzogin leitete die Erneuerungen.
Der Graf hatte richtig geraten. Wenige Tage nach der Vorstellung der Herzogin bei Hofe wurde die junge Clelia Conti hoffähig; man hatte sie zur Stiftsdame erhoben. Um den Hieb aufzufangen, den dieser Gnadenbeweis dem Ansehen des Grafen versetzte, gab die Duchezza ein Fest, angeblich zur Einweihung ihres Schloßgartens, und machte Clelia, die sie mit Liebenswürdigkeit überschüttete und ihre junge Freundin vom Comer See nannte, zur Königin des Abends. Wie durch Zufall leuchtete ihr Namenszug an den größten Lampions. Die junge Clelia sprach, wenn auch ein wenig nachdenklich, sehr liebenswürdig von dem kleinen Abenteuer am See undwar voll lebhaften Dankes. Man sagte ihr nach, sie sei sehr fromm und eine große Freundin der Einsamkeit.
»Ich möchte wetten,« meinte der Graf, »sie ist verständig genug, sich ihres Vaters zu schämen.«
Die Duchezza gewann sich das junge Mädchen zur Freundin; sie empfand Zuneigung für sie. Sie wollte nicht eifersüchtig erscheinen und zog sie zu allen ihren Vergnügungen heran. Planmäßig suchte sie jeglichen Haß, dessen Ziel der Graf war, zu entwaffnen.
Alles lächelte der Duchezza zu. Das Hofleben, wo immer ein Sturm zu befürchten ist, machte ihr Spaß; es war ihr, als hätte sie ihr Dasein von neuem begonnen. Sie war dem Grafen zärtlich zugetan und er im vollsten Sinne des Wortes närrisch vor Glück. Dieses Glück feite ihn gegen alles, was seine ehrgeizigen Pläne bedrohte. So errang er kaum zwei Monate nach der Ankunft der Duchezza Würde und Rang eines Premierministers, wodurch ihm beinahe die gleiche Macht zufiel wie dem Monarchen selbst. Der Graf beherrschte den Geist seines Herrschers vollständig, und man erlebte in Parma einen Beweis davon, der alle Gemüter in Staunen versetzte.
Im Südosten, ungefähr zehn Minuten vor der Stadt, erhebt sich eine berüchtigte und in ganz Italien wohlbekannte Zitadelle, deren mächtiger Turm, hundertundachtzig Fuß hoch, weithin sichtbar ist. Dieser Turm, der nach dem Vorbild der Engelsburg in Rom von den Farnesen, den Enkeln Pauls III., zu Beginn des Cinquecento erbaut ist, war so breit, daß auf seiner Plattform ein Palast für den Festungskommandanten und ein neues Gefängnis, die Torre Farnese, Platz gefunden hatten. Dieses Gefängnis, zu Ehren des ältesten Sohnes von Ranuccio Ernesto II. errichtet (er war der Geliebte seiner Stiefmutter), galt weit und breit für eine Sehenswürdigkeit. Die Duchezza wollte es aus Neugier besichtigen. Am Tage ihres Besuches herrschte in Parma eine erdrückende Hitze. Die Duchezza fand oben, an diesem erhöhten Ort, die frischere Luft so entzückend, daß sie mehrere Stundendort blieb. Man beeilte sich, ihr die Säle der Torre Farnese aufzuschließen.
Auf der Plattform begegnete die Duchezza einem armen eingesperrten Liberalen, der sich seines halbstündigen Spazierganges erfreute, den man ihm alle drei Tage gestattete. Da sie noch nicht die an einem absolutistischen Hofe erforderliche Vorsicht besaß, plauderte sie hinterher von diesem Gefangenen, der ihr seine ganze Geschichte erzählt hatte. Die Partei der Marchesa Raversi griff diese Äußerung der Duchezza
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