Die Kartause von Parma
besuchen wir dich in Neapel. Aber bis auf weitere Befehle hältst du dich zur Partei der violetten Strümpfe. Der Graf, der unser jetziges Italien ziemlich gut kennt, hat mir ein paar Winke für dich mitgegeben: Glaube oder glaube nicht an das, was man dich lehren wird, aber mache nie den geringsten Einwand! Bilde dir ein, man bringe dir die Regeln des Whists bei. Würdest du dagegen Einwände erheben? Ich habe dem Grafen erzählt, daß du gläubig seist. Er hat sich darüber höchlichst gefreut. Der Glaube ist in dieser wie in jener Welt nützlich. Aber da du gläubig bist, so verfalle nicht in die Geschmacklosigkeit, mit Schaudern von Voltaire, Diderot, Raynal und all den tollkühnen Vorläufern des Parlamentarismus zu sprechen. Nimm diese Namen nur selten in den Mund, aber wenn es sein muß, dann sprich von ihnen mit ironischer Ruhe: diese Leute sind längst abgetan, und ihre Angriffe haben keine Bedeutung mehr. Glaube blindlings alles, was man dir in der Akademie vortragen wird. Denke daran, daß es Leute gibt, die dir den leisesten Widerspruch ewig nachtrügen. Ein kleines Liebesabenteuer verzeiht man dir, wenn es geschickt durchgeführt wird, nie aber einen Zweifel; und mit den Jahren nimmt das Liebesgetändel ab und der Zweifel zu. Mache dir das auch im Beichtstuhl zur Richtschnur! Du bekommst einen Empfehlungsbrief an einen Bischof mit, der die rechte Hand des Kardinal-Erzbischofs von Neapel ist. Das ist der einzige, dem du deine Durchbrennerei nach Frankreich und deine Teilnahme am 18. Juni bei Waterloo gestehen darfst. Übrigens mache es kurz: verkleinere dieses Abenteuer; bekenne es lediglich, damitman dir nicht vorwerfen kann, du habest es verschwiegen. Du warst damals so jung!
Zweitens läßt dir der Graf sagen: Wenn dir ein glänzender Einfall, eine schlagende Erwiderung in den Sinn kommt, die der Unterhaltung eine neue Wendung verleiht, so gib der Versuchung, zu glänzen, beileibe nicht nach. Bleibe stumm! Kluge Leute werden dir den Geist aus den Augen absehen. Wenn du einmal Bischof bist, dann ist es an der Zeit, Geist zu zeigen.«
Fabrizzio kam in Neapel in einem bescheidenen Wagen und mit vier Dienern an, braven Mailändern, die ihm seine Tante mitgegeben hatte. Nach seinem ersten Studienjahre sagte ihm kein Mensch nach, er habe Geist; man hielt ihn für einen fleißigen, sehr freigebigen, nur etwas liederlichen Edelmann.
Dieses für Fabrizzio leidlich vergnügte Jahr war für die Duchezza schrecklich. Drei- oder viermal war der Graf um Daumenbreite am Sturz. Der Fürst, furchtsamer denn je, weil er während dieses Jahres krank war, glaubte die verhaßte Erinnerung an jene Hinrichtungen los zu werden, wenn er Mosca entließ. Rassi war der Günstling seines Herzens; ihn wollte er vor allem behalten. Die Gefahr, in der der Graf schwebte, machte ihm die Duchezza leidenschaftlich zugetan; an Fabrizzio dachte sie nicht mehr. Um ihren möglichen Weggang einigermaßen zu begründen, fand sie, die Luft von Parma, die in der Tat ein wenig feucht ist wie die der ganzen Lombardei, sei ihrer Gesundheit nicht zuträglich. Nach zeitweiliger Ungnade, die so weit ging, daß der Graf, obwohl er Premierminister war, von seinem Gebieter mehr als zwanzig Tage lang nicht unter vier Augen empfangen wurde, trug Mosca den Sieg davon. Er ließ den General Fabio Conti, diesen angeblichen Liberalen, zum Kommandanten der Zitadelle ernennen, wo die durch Rassi verurteilten Liberalen eingesperrt waren.
»Übt Conti gegen seine Gefangenen Nachsicht,« sagte Mosca zu seiner Freundin, »so fällt er in Ungnade alsJakobiner, der über seinen politischen Anschauungen seine Kommandantenpflichten vergißt; ist er streng und mitleidslos – und anscheinend neigt er dazu –, so hört er auf, das Haupt seiner eigenen Partei zu sein, und macht sich alle Familien zu Feinden, die einen der Ihren in der Zitadelle haben. Dieser klägliche Kerl hat es weg, beim Nahen des Fürsten ein Gesicht aufzuziehen, das von Untertänigkeit trieft; wenn es verlangt wird, wechselt er viermal am Tag den Anzug. Eine Frage der Hofordnung versteht er stundenlang zu erörtern; aber er hat ganz und gar nicht das Zeug, den schwierigen Weg herauszufinden, der ihn allein retten könnte. Und in jedem Fall bin ich auch noch da.«
Am Tage nach der Ernennung des Generals Fabio Conti, die der Ministerkrise ein Ende machte, erfuhr man, daß Parma eine ultramonarchische Tageszeitung erhalten solle.
»Was für Streitereien wird diese Zeitung veranlassen!« meinte die
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