Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
Vom Netzwerk:
klar, daß ihm kein Mittel zu Gebote stand, die Sanseverina zurückzuhalten, anderseits, daß die Duchezza die glänzendste Erscheinung an seinem Hofe war.
    Etwas war bei der italienischen Faulheit ganz ungewöhnlich: zu den Donnerstagen der Herzogin kam die Gesellschaft von Parma selbst von den Gütern der Umgebung. Das waren wirkliche Feste; fast jedesmal hatte die Herzogin etwas Neues und Anregendes. Der Fürst hätte sich für sein Leben gern einmal einen solchen Donnerstagangesehen. Aber wie sollte er es ermöglichen? Ein Privathaus betreten? Das hatte weder sein Vater noch er je getan!
    An einem Donnerstag war regnerisches, kaltes Wetter. Des Abends hörte Serenissimus alle Augenblicke Wagen über das Pflaster des Schloßplatzes rasseln, die zum Palazzo Sanseverina fuhren. Er ward ungeduldig: andere belustigten sich, und er, der souveräne Fürst, der unumschränkte Herrscher, der sich von Rechts wegen mehr erheitern müßte als die ganze Gesellschaft, er langweilte sich gründlichst. Er schellte nach seinem Adjutanten. Zunächst dauerte es eine Weile, bis ein Dutzend Geheimpolizisten auf der Straße vom Schloß Seiner Hoheit bis zum Palazzo Sanseverina aufgestellt war. Endlich, nach einer Stunde, die dem Fürsten wie ein Jahrhundert vorkam und während der er zwanzigmal im Begriff war, den Dolchen zu trotzen und keck und ohne Vorsichtsmaßregeln hinzufahren, erschien er im ersten Salon der Frau Sanseverina. Ein Blitzschlag hätte keine größere Bestürzung erzeugen können. Urplötzlich, je weiter der Fürst schritt, trat in diesen eben noch so geräuschvollen und fröhlichen Gemächern eine unheimliche Stille ein. Alles riß die Augen weit auf und starrte nach dem Fürsten. Die Hofschranzen waren gänzlich außer Fassung. Nur die Herzogin zeigte sich nicht im geringsten überrascht. Als man schließlich die Kraft zum Sprechen wiederfand, beschäftigten sich alle Anwesenden angelegentlichst mit der wichtigen Frage: War die Herzogin vom Erscheinen des Fürsten benachrichtigt oder war sie ebenso überrumpelt wie alle anderen?
    Serenissimus unterhielt sich gut. Daraus kann man auf die schnell entschlossene Art der Herzogin und auf die grenzenlose Macht schließen, die sie durch die paar geschickt hingeworfenen Andeutungen ihrer angeblichen Reisepläne erlangt hatte. Als sie dem Fürsten am Ende das Geleit gab und er die allerliebenswürdigsten Worte an sie richtete, hatte sie einen absonderlichen Einfall, densie ihm ganz einfach zu offenbaren wagte, als sei es weiter gar nichts:
    »Wenn Eure Hoheit ein paar von den herrlichen Worten, die mich beglückt haben, an die Fürstin richten wollten, so würde Serenissimus mich ganz gewiß viel glücklicher machen, als wenn mir Hoheit hier sagen, ich sei lieb und nett. Um alles in der Welt möchte ich nämlich nicht, daß Allerhöchstdero Gnadenbeweis, der mich soeben geehrt, von der Fürstin falsch aufgefaßt würde.«
    Der Fürst sah die schöne Frau starr an und antwortete trocken: »Es steht mir doch wohl frei, dahin zu gehen, wo es mir beliebt?«
    Die Duchezza errötete. »Ich wollte«, antwortete sie augenblicklich, »Eurer Hoheit nur eine unnütze Fahrt ersparen. Es ist nämlich mein letzter Donnerstag. Ich gedenke einige Tage in Bologna und Florenz zu verbringen.«
    Als sie in ihre Räume zurückkam, glaubte jedermann, sie stehe in der hellsten Gnadensonne, und doch hatte sie soeben etwas gewagt, wozu sich seit Menschengedenken niemand in Parma erdreistet hatte. Sie gab dem Grafen einen Wink. Er stand von seinem Whisttisch auf und folgte ihr in einen kleinen erleuchteten, aber menschenleeren Salon.
    »Was Sie getan haben, war sehr kühn«, erwiderte er ihr. »Ich hätte Ihnen nicht dazu geraten. Aber in vollen Herzen«, setzte er lachend hinzu, »steigert das Glück die Liebe. Wenn Sie morgen vormittag abreisen, bin ich morgen abend bei Ihnen. Mich hält nichts zurück als die Schererei, die ich mir törichterweise mit dem Finanzministerium selber aufgehalst habe; aber in vier gut ausgenützten Stunden kann man eine Menge Kassen übergeben. Kehren wir zur Gesellschaft zurück, liebe Freundin, und spielen wir die ministerielle Blasiertheit frei und ungezwungen weiter. Es ist vielleicht die letzte Vorstellung, die wir in dieser Stadt geben. Hält er Ihr Benehmen für Trotz, dann ist der Mann zu allem fähig. Erwird das ein Exempel statuieren nennen. Wenn die Gesellschaft zu Ende ist, wollen wir uns überlegen, wie wir Sie für diese Nacht verschanzen. Es wäre

Weitere Kostenlose Bücher