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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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vortrefflich; dann machte er sichs bequem, um eine Weile zu schlafen. Erst um halb neun Uhr abends erwachte er. Der Abbate schüttelte ihn am Arm. Es war Nacht.
    Blanio war außerordentlich müde; er sah fünfzig Jahre älter aus als am Tage zuvor. Er redete nichts von Bedeutung. In seinem hölzernen Lehnstuhl sitzend, sprach er zu Fabrizzio: »Umarme mich!« Er schloß ihn wiederholt in seine Arme. »Der Tod,« sagte er schließlich, »der meinem so langen Leben bald ein Ende macht, wird nichts Schmerzliches für mich haben außer der Trennung von dir. Ich habe eine Geldsumme, die ich Ghita zur Aufbewahrung geben werde, mit der Anweisung, für ihre Bedürfnisse davon zu nehmen, den Rest aber für dich aufzuheben, wenn du sie je darum bitten solltest. Ich kenne sie; auf diese Anordnung hin ist sie imstande, aus Sparsamkeit für dich sich keine viermal im Jahre Fleisch zu kaufen, wenn du es ihr nicht ausdrücklich befiehlst. Du kannst in Not geraten, und das Scherflein des alten Freundes wird dir dann dienlich sein. Von deinem Bruder erwarte nichts als Schlimmes. Suche Geld zu gewinnen durch eine Arbeit, die der Menschheit Nutzen schafft. Ich ahne merkwürdige Stürme. Vielleicht duldet man in fünfzig Jahren keine Nichtstuer mehr. Deine Mutter und deine Tante werden dahingehen; deine Schwestern müssen ihren Männern gehorsam sein... Fort, fort!«
    Blanio stieß diese letzten Worte hastig aus. Ein leises Geräusch in der Turmuhr zeigte ihm an, daß sie sogleich zehn Uhr schlagen werde. Er wollte Fabrizzio kaum erlauben, ihn ein letztes Mal zu umarmen.
    »Schnell, schnell!« rief er ihm zu. »Du brauchst mindestens eine Minute, um die Treppe hinunterzukommen. Nimm dich vor dem Fallen in acht! Das wäre eine schlimme Vorbedeutung.«
    Fabrizzio lief eiligst die Treppe hinab. Auf dem Kirchplatzangelangt, fing er an zu rennen. Er war gerade vor dem Schloß seines Vaters, als die Kirchenuhr zehn schlug. Schlag für Schlag hallte in seinem Herzen wider und erweckte darin seltsame Unruhe. Er blieb stehen, um nachzudenken oder vielmehr, um sich den leidenschaftlichen Empfindungen zu überlassen, die der Anblick dieses gewaltigen Baues in ihm erweckte, der ihn gestern so kalt gelassen hatte.
    Mitten in seinen Träumereien störten ihn Männertritte. Er blickte auf und sah sich vier Gendarmen gegenüber. Er hatte zwei vorzügliche Taschenpistolen bei sich, deren Zündhütchen er während des Mittagsmahles erneuert hatte. Das leise Geräusch, das beim Spannen des Hahnes entstand, erregte die Aufmerksamkeit eines der Gendarmen. Es fehlte nicht viel, so wäre er festgenommen worden. Er ward der Gefahr inne, in der er schwebte, und dachte daran, zuerst zu schießen. Er hielt das für sein Recht und für das einzige Mittel, sich vier wohlbewaffnete Gendarmen vom Leibe zu halten. Zum Glück hatten die Gendarmen, die ihre Streife durch die Schenken machten, um sie zu leeren, sich den Aufmerksamkeiten nicht abhold erwiesen, die ihnen in mehreren dieser freundlichen Stätten bezeigt worden waren. Sie entschlossen sich nicht schnell genug zur Erfüllung ihrer Pflicht. Fabrizzio ergriff die Flucht und lief, so schnell ihn seine Beine tragen konnten. Die Gendarmen rannten auch einige Schritte und schrieen: »Halt! Halt!« Dann ward alles wieder still.
    Nach dreihundert Schritten hielt Fabrizzio an, um zu verschnaufen. ›Das Spannen meiner Pistolen hätte mich fast meine Freiheit gekostet. Die Duchezza hätte mir mit vollem Recht sagen können, wenn anders ich ihre schönen Augen je wiedergesehen hätte, ich fände Genuß im Betrachten von Dingen, die sich in zehn Jahren ereignen können, aber vergäße darüber ins Auge zu fassen, was sich gegenwärtig rings um mich abspielt.‹
    Es durchschauerte Fabrizzio, als er an die Gefahr dachte,der er soeben entronnen war. Er verdoppelte seine Schritte; doch bald geriet er unwillkürlich ins Laufen, was nicht gerade vorsichtig war, denn es lenkte die Aufmerksamkeit mehrerer heimkehrender Landleute auf sich. Erst mehr als eine Meile hinter Grianta, in den Bergen, brachte er es über sich, stehen zu bleiben, und selbst da rann ihm kalter Schweiß von der Stirn, wenn er an den Spielberg dachte.
    ›Ich bin ein rechter Hasenfuß!‹ sagte er sich, und beim Klange dieses Wortes schämte er sich beinahe. ›Aber sagt mir meine Tante nicht immer, was ich am allernötigsten zu lernen hätte, das wäre Nachsicht gegen mich selber? Ich vergleiche mich immer mit einem Ideal, das es nicht geben kann. Gut, ich

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