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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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lachend.
    »Sie erzählen uns da einen meisterlichen Streich, aber es bietet sich höchstens alle zehn Jahre die kurzweilige Gelegenheit, so rühmliche Dinge zu vollführen. Sehr häufig genießen halb stumpfsinnige Menschen, die aber jederzeit aufmerksam und vorsichtig sind, das Vergnügen, über geniale Leute zu triumphieren. Es war eine Narrheit des Genies, daß sich Napoleon dem vorsichtigen John Bull anvertraute, statt nach Amerika zu entwischen. John Bull mag in seinem Kontor schön über seinen Brief gelacht haben, in dem er Themistokles zitiert. Zu allen Zeiten werden sich die gewöhnlichen Sancho Pansas vor den erhabenen Don Quichottes im Vorteil befinden. Wenn Sie sich vornehmen wollen, nichts Außergewöhnliches zu tun, dann bezweifle ich nicht, daß Sie ein sehr geachteter, wenn auch kein sehr achtenswerter Bischof werden. Immerhin bleibe ich dabei: Eccellenza hat sich bei der Pferdegeschichte gewandt benommen. Die Sache streift haarscharf an lebenslängliches Gefängnis.«
    Bei diesen Worten überlief Fabrizzio ein Schauder; er verfiel in tiefes Sinnen. ›War dies das Gefängnis, das mir drohen soll? Und das Verbrechen, das ich nicht begehen darf? Blanios Voraussagungen, die er als Prophezeiungen verlacht hatte, gewannen in seinen Augen die volle Bedeutung wirklicher Weissagungen.
    »Was hast du denn?« fragte ihn die Duchezza erstaunt. »Der Graf hat dir einen Schrecken eingejagt.«
    »Eine neue Wahrheit hat mich durchleuchtet, und statt sich gegen sie aufzulehnen, erkennt mein Verstand sie an. Wahrlich, ich habe das lebenslängliche Gefängnis haarscharf gestreift. Aber jener Reitknecht sah in seinem englischen Anzug so nett aus. Ihn zu töten, wäre schade gewesen!«
    Der Minister war von Fabrizzios altklugem Gesicht entzückt.
    »Er ist in jeder Hinsicht prächtig«, meinte er, indem er die Duchezza ansah. »Ich möchte Ihnen sagen, lieber Freund, Sie haben eine Eroberung gemacht und vielleicht die allerbegehrenswerteste.«
    ›Aha,‹ dachte Fabrizzio, ›das ist eine Anspielung auf die kleine Marietta.‹ Aber er täuschte sich.
    Der Graf fuhr fort: »Ihre biblische Schlichtheit hat das Herz unseres ehrwürdigen Erzbischofs, des Padre Landriani, gewonnen. In den nächsten Tagen werden wir Sie zum Großvikar ernennen, und das Spaßhafteste an dieser reizenden Geschichte ist, daß die drei jetzigen Großvikare, verdienstliche Männer, Arbeiter ersten Ranges, von denen zwei, wenn ich nicht irre, bereits vor Ihrer Geburt Großvikare waren, den Erzbischof durch ein schönes Schreiben ersuchen wollen, Ihnen den Vorrang vor ihnen zu geben. Die Herren stützen ihr Gesuch vorerst auf Ihre Tugenden und dann darauf, daß Sie ein Großneffe des berühmten Erzbischofs Ascanio del Dongo sind. Als ich von der Hochschätzung erfuhr, die man Ihren Tugenden zollt, habe ich den Neffen des ältesten Großvikars auf der Stelle zum Hauptmann ernannt; er war Leutnant seit der Belagerung von Tarragona [Belagerung von Tarragona: Der General Suchet hatte Stadt und Festung 1811 genommen und wurde 1813 daselbst von den Engländern so hart bedrängt, daß er die Befestigungswerke in die Luft sprengte.] unter dem Marschall Suchet.«
    »Mache dich sofort auf, wie du bist, und statte deinem Erzbischof einen rührenden Besuch ab!« rief die Duchezza. »Erzähle ihm von der Heirat deiner Schwester. Wenn er erfährt, daß sie Principessa wird, wird er dich noch viel apostolischer finden. Übrigens weißt du nichts von allem, was dir der Graf soeben von deiner künftigen Ernennung anvertraut hat.«
    Fabrizzio ging spornstreichs in den erzbischöflichen Palast. Dort benahm er sich schlicht und bescheiden, was ihm allezeit gelang. Er mußte sich im Gegenteil stets Zwang antun, wenn er den großen Herrn spielen wollte. Während er den etwas langatmigen Reden des MonsignoreLandriani lauschte, sagte er sich: ›Hätte ich wirklich meine Pistole auf den Reitknecht abdrücken sollen, der das magere Pferd am Handzügel führte?‹ Sein Verstand sagte ihm ja, aber sein Herz konnte sich an das blutige Bild des entstellt vom Pferd sinkenden schönen jungen Mannes nicht gewöhnen.
    ›Meinte Blanio dieses Gefängnis, in das ich geraten wäre, wenn das Pferd gestürzt wäre? War es das Gefängnis, mit dem mir so viele Vorzeichen gedroht haben?‹
    Diese Frage war ihm von grenzenloser Wichtigkeit, und der Erzbischof war erbaut von seiner tiefen Aufmerksamkeit.

Elftes Kapitel
    Nach dem Besuch im erzbischöflichen Palast ging Fabrizzio zur kleinen

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