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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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Torheiten, du gefährdest die Ernennung, diebeinahe schon bestätigt war!‹ Er hätte sich kurz fassen und gerührt danken sollen. Fiel ihm gar nicht ein. Er setzte seine Predigt mit lächerlicher Unerschrockenheit fort. Ich suchte nach einer Entgegnung, die für den kleinen del Dongo nicht allzu nachteilig klingen sollte. Ich fand eine, und eine recht glückliche, wie Sie gleich sehen werden. ›Monsignore,‹ habe ich zu ihm gesagt, ›Pius VII. [Pius VII. (Chiaramonti), Papst von 1800 bis 1823, ehedem Kardinal und Bischof von Cesena. Sein Grabmal in Rom von Thorwaldsen. Er hat 1804 Napoleon zum Kaiser gesalbt. 1809 wurde er verhaftet und nach Fontainebleau gebracht. Diese Gefangennahme ist von Stendhal in seiner 1824 geschriebenenNovelle ›Erinnerungen eines römischen Edelmannes‹ ausführlich geschildert.] war ein großer Papst und ein sehr heiliger Mann; von allen Herrschern wagte er allein, dem Tyrannen, der Europa zu seinen Füßen sah, nein zu sagen. Er war eben ein Schwärmer. Als er Bischof von Imola war, hat ihn das verführt, seinen berühmten Hirtenbrief des Bürgerkardinals Chiaramonti zugunsten der Zisalpinischen Republik zu schreiben.‹
    Mein armer Erzbischof war ganz verblüfft, und um ihn vollends zu verblüffen, sagte ich ernst: ›Leben Sie wohl, Monsignore! Ich werde Ihrem Vorschlag vierundzwanzig Stunden Überlegung widmen.‹ Der Unglücksmensch erging sich noch in ein paar recht schlecht angebrachten und ungeschickt ausgedrückten Bitten, nachdem das Wort: ›Leben Sie wohl!‹ gefallen war. Jetzt beauftrage ich Sie, Graf Mosca della Rovere, der Duchezza zu sagen, daß ich eine für sie so erfreuliche Nachricht nicht vierundzwanzig Stunden verzögern will. Setzen Sie sich, bitte, hierher und schreiben Sie dem Erzbischof ein Jawort, das die ganze Sache entscheidet.‹ Ich schrieb, er unterzeichnete und sagte zu mir: ›Bringen Sie es unverzüglich der Duchezza!‹ – Hier ist das Schreiben, gnädige Frau! Dem verdanke ich das Glück, Sie heute abend noch einmal zu sehen.«
    Die Duchezza las das Schreiben voller Entzücken. Während des langen Berichts des Grafen hatte Fabrizzio Zeit, sich zu sammeln. Dieses Ereignis setzte ihn augenscheinlich gar nicht in Erstaunen. Er nahm die Sache so recht wie ein Grandseigneur hin, der selbstverständlich immer geglaubt hat, er habe ein Anrecht auf so außergewöhnliche Beförderungen, auf Glücksfälle, die einen Spießbürgerganz aus dem Häuschen brächten. Er dankte dem Grafen in gewählten Ausdrücken und schloß mit den Worten: »Ein guter Hofmann muß der herrschenden Vorliebe huldigen. Sie haben gestern die Befürchtung geäußert, Ihre Arbeiter in Sanguigna könnten Bruchstücke antiker Kunstwerke beim Ausgraben stehlen. Ich bin ein Liebhaber von Ausgrabungen. Wenn Sie es mir gütigst gestatten, werde ich die Arbeiter beaufsichtigen. Morgen abend, nach den nötigen Dankesbesuchen im Schloß und im erzbischöflichen Palast, will ich nach Sanguigna abreiten.«
    »Ahnen Sie denn,« fragte die Duchezza den Grafen, »wovon diese plötzliche Neigung des guten Erzbischofs für Fabrizzio herrührt?«
    »Zu ahnen brauche ich das nicht. Der Großvikar, der Bruder des Hauptmanns, sagte gestern zu mir: ›Monsignore Landriani geht von dem richtigen Grundsatz aus, daß der Titular über dem Koadjutor steht, und es ist ihm eine Freude, daß ein del Dongo unter seinem Befehl steht und ihm verpflichtet ist. Alles, was Fabrizzios hohe Geburt ins volle Licht setzt, erhöht sein inneres Glück. Einen solchen Menschen zum Adjutanten zu haben! Zum anderen gefällt ihm Fabrizzio, weil er in seiner Gegenwart keine Befangenheit empfindet. Und schließlich hegt er seit zehn Jahren einen wohlbegründeten Haß gegen den Bischof von Piacenza, der seine Ansprüche auf die Nachfolge im Erzbistum Parma unverhohlen ausspricht und noch dazu ein Müllerssohn ist. Im Hinblick auf die künftige Nachfolge hat der Bischof von Piacenza sehr enge Beziehungen zur Marchesa Raversi angeknüpft, und diese Beziehungen machen den Erzbischof besorgt um die Erfüllung seines Lieblingsplanes, einen del Dongo in seinem Stab und unter seinem Befehl zu haben.‹ «
    Am übernächsten Tage leitete Fabrizzio frühzeitig die Ausgrabungsarbeiten bei Sanguigna, gegenüber von Colorno, dem Versailles des Fürsten von Parma. Diese Grabungen fanden in der Ebene statt, ganz nahe der Landstraße,die von Parma nach der Brücke von Casalmaggiore, der ersten österreichischen Stadt, führt. Die Arbeiter

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