Die Karte der Welt (German Edition)
Seitenblick an Skulpturen und Gemälden vorbei und trampelte mit verdreckten Stiefeln über teure Seidenteppiche.
Er fand Brynn neben Kraven sitzend. Es hätte sich für sie nicht geziemt, sich ohne Anstandsperson unter Soldaten aufzuhalten. Nur Spragg war bei ihnen.
»Wex!«, rief er und sprang auf, um ihn zu begrüßen. »Du hast die Neuigkeiten bereits gehört, nehme ich an.«
Wex musste einen Moment überlegen. So viel war geschehen. Dann fiel ihm ein, dass er Lothario meinen musste.
»Ja. Traurig. Furchtbar. Aber es gibt noch mehr schlechte Neuigkeiten. Die Verteidigungslinie hat nicht gehalten.«
»Nicht gehalten?« Kraven zog die Augenbrauen nach oben.
»Nein. Die Düsterlinge haben Adain und sein Heer vernichtend geschlagen.« Er schwieg kurz. »Es war grauenhaft.«
»Wie ist das möglich?«
»Es kamen noch mehr Düsterlinge. Und Riesen.«
»Riesen?«
Wex schilderte das Massaker auf der Ersten Straße. Er nahm seinen Hauptmann und Kraven nicht beiseite, wie ein Palastsoldat es getan hätte, sondern sprach so, dass alle ihn hören konnten. Enrial war eine elegante Frau, hatte Brynns Haar und eine spitze Nase, deren Flügel jedes Mal leicht bebten, wenn er eine der grausamen Szenen schilderte. Mehrmals versuchte Enrial, ihrer Tochter die Ohren zuzuhalten, aber Brynn schob sie weg, und Wex fiel auf, dass ihre Nase kein bisschen zuckte, bei keinem einzigen Wort.
Der Graf wollte Wex zuerst nicht glauben, aber Fretter verbürgte sich für ihn, und sein Wort hatte Gewicht. Er wurde immer nervöser, je länger die Schilderung fortdauerte. Wex hätte ihn gern getröstet, aber es gab nichts Tröstendes zu erzählen.
»Wir müssen aufbrechen. Jetzt.«
»Es gibt noch eine zweite Garnison, in Feldend.«
»Was wollen sie überhaupt hier?«, fragte der Graf und meinte die Düsterlinge.
Wex wusste nicht recht, wie er es erklären sollte. »Mich«, sagte er schließlich.
»Dich? Weshalb ausgerechnet dich?«
»Ich bin der Kartenzeichner.«
Graf von Zornfleck musterte ihn einen Moment lang. »Du bist Elgers Sohn, nicht wahr? Derjenige, der so oft den Schleier zeichnet.«
Elger . Es gab einfach zu viele Leute, die gewarnt werden mussten. Seine Tante Eunstice und ihre Söhne. Sein Freund Dirk, der mit seinem Vater, der Zugkarren baute, am Bach wohnte. Ein paar von ihnen musste Hampten bereits erreicht haben. Zumindest die, die im Dorf lebten, und Brynns Familie war nun ebenfalls unterrichtet. Aber er konnte unmöglich jeden einzelnen der abgelegenen Höfe abklappern, und auch um die Waldarbeiter konnte er sich nicht kümmern. Er konnte nicht alle retten. Aber seinen Vater.
»Ein Düsterling und ein Riese!«, rief der Graf, als er vor dem Haus Arkh und Mungo auf ihren Pferden erblickte.
»Nein«, sagte Wex und verdrehte die Augen. »Die beiden stehen auf unserer Seite.« Er wandte sich an Pinch. »Ist gerade ein Mann hier vorbeigekommen?«
»Mit fettem Bauch und fliehendem Kinn?«
»Genau der.«
»Oh ja. Er hat uns bezichtigt, seine Pferde gestohlen zu haben, dann hat er sich auf seins geschwungen und ist auf und davon. Ich habe ihm noch hinterhergerufen, dass sie nur geliehen sind.« Pinchs Blick sprang kurz nach Norden. »Wir wurden schon ein wenig ungeduldig.«
»Wir müssen los. Wexford wird seinen Vater holen und dann in südlicher Richtung wieder zu uns stoßen. Steigt ab. Die Familie des Grafen bekommt eure Pferde«, erklärte Fretter.
Pinch und Mungo rührten sich nicht von der Stelle. »Jeder sollte sein eigenes Pferd reiten«, entgegnete Pinch. Die Bedeutung seiner Worte war Wex vollkommen klar: Auf einem Pferd konnte man den Düsterlingen entkommen. Zu Fuß nicht.
»Wir haben alle Pferde verkauft«, sagte der Graf. »Wir besitzen kein einziges mehr.«
»Dann leiht Euch eins. Das haben wir auch getan.«
Dem Grafen schien zu dämmern, dass sein blaues Blut in dieser Runde nicht viel galt, und die Zeit wurde knapp. »Wenigstens für meine Frau und die Kinder«, versuchte er zu handeln.
Schließlich brachten sie Revan hinter Cud unter und Enrial hinter Mungo. Brynn hielt für Arkh die Zügel, der entsetzliche Schmerzen in seinem gebrochen Arm hatte. Die anderen eilten nebenher, nur Wex hatte sich von der Gruppe getrennt und war zur Schweinezucht seines Vaters galoppiert. Er trieb sein Pferd bis zur hölzernen Veranda, schlang die Zügel ums Geländer und stieß die Tür auf.
Drinnen saß Elger mit einem Mann am Tisch. Als Wex hereinstürzte, blickte Elger auf, einen seltsamen Ausdruck im
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