Die Karte der Welt (German Edition)
einen Fuß auf Adains Helm und zog mit einem Ruck seinen Pfeil heraus. Der Düsterlingführer war genauso unverwechselbar wie undurchschaubar. In seinem Gesicht war nicht das Geringste zu erkennen, nichts gab einen Hinweis darauf, was in seinem kahlrasierten Kopf vorgehen mochte.
Die Düsterlinge machten reiche Beute: Schwerter, Kettenhemden, Harnische und sogar Pferde. Vill überwachte das Einsammeln der Waffen, befahl den Riesendüsterlingen, die Pferde nicht zu fressen, und erklärte seinen begriffsstutzigen Soldaten, wie sie die vielen Schnallen und Gurte an ihrer neuen Ausrüstung zu handhaben hatten. Die Panzerung schien ihnen nicht zu behagen. Sie knurrten und kratzten sich ständig wie verlauste Hunde, aber Vill bestand darauf, dass sie sie trugen, und sie gehorchten mit viel Gebrüll, das wohl ihr Siegesjubel war. Die Schwerter hingegen gefielen ihnen recht gut, auch wenn einige sich sofort daran schnitten. Ihre Toten schienen die Düsterlinge erst gar nicht zu zählen, und Wex war nicht sicher, ob sie dazu überhaupt in der Lage gewesen wären. Stattdessen freuten sie sich einfach, dass sie gewonnen hatten.
»Er wird bald einen Suchtrupp nach dem fehlenden Riesendüsterling aussenden«, flüsterte Arkh. »Wir sollten verschwinden.«
Keiner widersprach. Wenn sie sich beeilten, konnten sie sich durch die Wälder davonstehlen, bevor Vills Truppen bereit zum Aufbruch waren, und sich in sicherer Entfernung wieder auf die Straße wagen, um rechtzeitig vor den Düsterlingen in Zornfleck einzutreffen. Die Garnisonssoldaten hatte Wex nicht warnen können, aber bei seinem Heimatdorf musste es unbedingt gelingen.
71
Als sie Zornfleck erreichten, liefen sie direkt zu Hamptens Taverne. Besser, sie überbrachten die Neuigkeiten gleich an dem Ort, an dem alle Informationen ausgetauscht wurden, als selbst von Tür zu Tür zu laufen. Wex kam beinahe um vor Sorge, dass Adara noch mit Bello in den Wäldern sein könnte, aber Arkh wies ihn darauf hin, dass die Düsterlinge wohl eher auf der Straße hierhermarschieren würden als durch die Wälder. Außerdem gab es ohnehin nichts, was sie im Moment für die beiden tun konnten.
Hampten hatte sich in seinem Zimmer über der Taverne eingeschlossen. An der schweren Tür befanden sich mindestens vier Schlösser, aber Mungos Hämmern erregte schnell Hamptens Aufmerksamkeit, und das kleine Sichtfenster schwang auf.
Wex hielt sein Gesicht dicht davor, damit der Wirt Pinch und Mungo nicht sah, und besonders nicht Arkh.
»Ich muss sofort wissen, wo Hauptmann Fretter ist!«, erklärte Wex.
»Informationen kosten eine Kupfermünze oder mehr, kommt ganz drauf an«, erwiderte Hampten.
»Wie wär’s mit einem Tauschgeschäft. Ich habe Neuigkeiten.«
»Was für welche? Gute?«
»Die Soldaten aus Furtheim sind tot, und eine Armee marschiert hierher, um uns alle umzubringen. Gut genug?«
Mehrere Riegel wurden eilig zur Seite geschoben, Hampten riss die Tür auf und trat auf den Gang. »Erzähl mir mehr über …« Da erblickte er Wex’ Begleiter. »Was soll das sein? Eine Falle? Ihr wollt mich ausrauben!«
»Nein. Die gehören zu mir. Und ich wiederhole: Eine Armee ist im Anmarsch. Wir müssen fliehen.«
Hampten musterte Wex’ Begleiter. Pinch und Mungo nickten einmütig.
Arkh fixierte den Wirt mit seinen gelben Augen. »Verlass dein Haus und unterrichte alle Bewohner von Zornfleck darüber, dass sie sofort aufbrechen müssen«, zischte er.
»Aber zuerst sagt mir, wo sich Hauptmann Fretter aufhält!«, fügte Wex eilig hinzu.
Praktisch veranlagt, wie er war, ließ Hampten alle Wertsachen liegen, schnappte sich nur einen Umhang und knallte die Tür hinter sich zu. »Er ist hier. Beim Grafen.«
»Brynn!«, rief Wex.
Auf dem Weg nach unten nahmen sie Hampten noch den Schwur ab, an jeder Tür zu klopfen, an der er vorbeikam, und den Hausbewohnern einzuschärfen, die Kunde schnellstmöglich im Dorf zu verbreiten. Als sie draußen waren, machte Wex Anstalten, sofort zum Anwesen des Grafen zu laufen, aber Pinch hielt ihn zurück.
»Was?«, fragte Wex.
Der Dieb deutete auf Gavels unbewachte Stallungen. »Pferde …«
Fünf Reittiere wurden mit Sattel und Zaumzeug versehen und wechselten den Besitzer. Pinch nannte es »ausleihen«.
»Und du, Cud«, sagte Wex an Cudbert gewandt, »reitest nach Süden, so schnell du kannst. Noch über Furtheim hinaus.«
Cud schüttelte den Kopf. »Meine Familie is’ tot.«
»Ja, und deshalb gehst du nach Süden. Zu deiner
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