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Die Karte der Welt (German Edition)

Die Karte der Welt (German Edition)

Titel: Die Karte der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Royce Buckingham
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weitermüssen, auch wenn sein Körper um eine längere Rast geradezu bettelte. Das Versteck war gut, also wartete er. Sein Atem beruhigte sich. Vill streckte die Beine ein wenig und lauschte. Er vernahm das Geraschel der Blätter, das Zwitschern von Vögeln und das Ächzen der Riesenkiefern. Natürliche Geräusche, sichere Geräusche. Doch dann hörte er noch etwas anderes. Es klang wie ein Schnüffeln. Irgendein Tier, nicht besonders nahe, aber es bewegte sich in seine Richtung. Wachsam setzte Vill sich auf. Das Geräusch kam immer näher, schneller jetzt, war bereits in dem Gestrüpp direkt vor ihm. Vills Hand schoss zu dem Elfenbeinmesser an seinem Gürtel. Genau in dem Moment, als ein weißbrauner Bluthund zwischen den Zweigen hindurchbrach, riss er es aus der Scheide. Beinahe hätte Vill gelächelt. Bluthunde waren sogar noch teurer als Söldner. Offensichtlich geizte Kryst nicht länger mit seinem Gold, also wies Annika ihn nach wie vor zurück. Sie würden ihr schon Vills Kopf bringen müssen, um ihren Willen zu brechen.
    Vill blieb keine Zeit mehr, um auszuweichen. Er hielt einen dicken Ast als Schutz vor seinen Hals, erhob sich auf ein Knie und stieß zu. Die Zähne des Biests bohrten sich genau im selben Moment in seinen Oberschenkel, als die Klinge sich ins Genick des Bluthunds grub. Beide heulten auf. Spätestens jetzt würden seine Verfolger wieder wissen, wo er war, und prompt hörte er ihre Rufe ganz in der Nähe.
    Ich werde nicht entkommen .
    Aber der Hund auch nicht. Winselnd sank er zu Boden, und er tat Vill beinahe leid. Das Tier war wie er, ein treuer Diener seines Herrn, geopfert für eine Palastintrige. Vill wandte sich ab und schleppte sich weiter den Hügel empor, hinaus aus dem Gestrüpp. Der Biss blutete nicht besonders stark, aber der durchlöcherte Muskel darunter verkrampfte sofort, sobald er ihn belastete. Vill konnte nicht mehr rennen.
    Der erste Söldner streckte den bärtigen Kopf hinter einem Strauch hervor.
    Vill spannte seinen Bogen, und der Soldat tauchte wieder ab. Er humpelte ein paar Schritte weiter bergauf. Immer wieder blickte Vill über die Schulter, aber selbst hier, auf freiem Gelände, war es schwer, in der Dunkelheit irgendetwas zu erkennen. Vill sah den Hügel hinauf. Direkt vor ihm war es sogar noch dunkler, ein Schwarz von einer unglaublichen Tiefe, so finster, dass es alles Licht verschlang.
    Er hörte Schritte hinter sich. Seine Verfolger brachen aus dem Gestrüpp hervor. Drei, den Geräuschen nach. Ein leises Zischen verriet, dass sie ihre Schwerter zogen. Sein gesamtes restliches Leben würde nur noch aus diesen wenigen Momenten der Angst bestehen, aus Schmerz. So sollte das Leben eines treuen Soldaten nicht enden, der schon als Kind davon geträumt hatte, in der Bogenschützenkompanie des Fürsten zu dienen. Die Ungerechtigkeit der Situation traf ihn wie eine Faust, und Vill überkam eine unbändige Wut. Doch um seinen Hass über diejenigen zu ergießen, die ihn verdient hatten, musste er überleben. Oder er würde mit dem bitteren Geschmack im Mund sterben.
    Hilfesuchend tastete Vill nach der Finsternis vor ihm, und zu seiner Überraschung tat sie es ihm gleich. Sie streckte sich nach ihm, half ihm, zog ihn näher heran. Vill zögerte. Ihr Griff fühlte sich kalt an, und der Geruch von Fäulnis schlug ihm entgegen. Doch hinter sich hörte er, wie der Tod näher kam. Vill stürzte vorwärts, und der Schleier verschlang ihn.
    Jetzt, da er wieder frei war, machten ihn diese Erinnerungen weder wütend noch traurig, auch wenn er wusste, sie sollten es eigentlich. Er hatte die Ereignisse so oft im Geist durchgespielt, dass sie mittlerweile unendlich weit weg schienen, als wäre all das einem anderen widerfahren. Dennoch lag die himmelschreiende Ungerechtigkeit auf der Hand. Sich zu rächen würde vielleicht etwas in ihm wieder zum Leben erwecken.
    Es schien ihm nicht klug, sich an der Stelle aufzuhalten, wo die Dunkelheit ihn verschlungen hatte, also floh er. In denkbar ungeeigneter Kleidung stapfte er durch den Schnee und fragte sich, ob die Kälte ihn umbringen würde. Sie tat es nicht. Der milde Frühling sorgte dafür, dass er die Nacht und den nächsten Morgen überlebte, und mehr brauchte er nicht, um auf die andere Seite zu gelangen. Dort angekommen waren die Hänge wieder schneefrei, und es wuchsen sogar ein paar Bäume.
    Neben einem schnell fließenden Bach, der vom Schmelzwasser des Gletschers gespeist wurde, machte er halt. Vill setzte sich in die Sonne, um

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