Die Karte Des Himmels
Tochter von Lucille, besser bekannt als die »Lady mit der Sternenkette«.
Auf dieses Porträt fiel Judes Blick als Erstes, als sie das herrlich getäfelte Morgenzimmer betrat, in dem die private Vernissage stattfand. Schön und lächelnd und ohne jede Andeutung des Ärgers, der sie in Kürze in Bedrängnis bringen sollte, schaute Lucille auf das hinunter, was sich unter ihrem neuen Platz über dem geschnitzten Holzkamin abspielte.
»Euan, das ist Lucille«, sagte Jude und schaute sich um, wo er abgeblieben war. Ah, er hatte Cecelia entdeckt und kam mit ihr herüber.
»Ich hab dich gar nicht kommen sehen«, sagte Cecelia und küsste Jude. »Hey, was für ein tolles Kleid! Kommt mit, ich führe euch herum, bevor die Massen in die Ausstellung strömen. Und dann gibt es Champagner und Kanapees.«
»Es sind natürlich viele Stücke hier, die mir vertraut sind«, sagte Jude, schaute sich wieder um und entdeckte den Orrery und Anthony Wickhams großes Teleskop. Sie hatte Cecelia in der frühen Phase der Ausstellungsvorbereitung beraten, und es war wunderbar, alles an seinem Platz zu sehen. »Oh, und da ist Anthonys Porträt aus Starbrough Hall. Es ist wirklich eine Schande, dass es kein Bild von Esther gibt.«
»Aber wir haben eine ganze Menge über sie. Warum fangen wir nicht ganz am Anfang an?«, sagte Cecelia und führte Jude zum ersten Ausstellungsstück. Jude erstarrte. Es war die Halskette, gesäubert und repariert, die auf grünem Samt in einem alarmgesicherten Kasten lag. Im Licht der Kronleuchter funkelten die Diamanten wie zartes Feuer. »Sie sieht ... atemberaubend aus«, hauchte sie.
»So makellos, wie sie war, als sie angefertigt wurde«, sagte Euan. »Irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass Summer sie in ihrem Kinderzimmer aufbewahren darf!«
»Aber trotzdem ist es ein fantastisches Erbstück, das sie besitzt«, sagte Cecelia. »Also, hier geht’s los, und dann folgt ihr der Ausstellung rundherum. Ich weiß, dass ihr manches schon kennt.«
»Ich nicht«, sagte Euan lächelnd. »Und hetz mich nicht. Ich möchte jedes Wort genau lesen.«
Cecelia und Jude lächelten sich liebevoll an. Diese Ausstellung war Lord Madingsfields Idee gewesen. Im November war er bei der Auktion der Starbrough-Sammlung aufgetaucht und hatte zahllose Stücke ersteigert. Seither hatte er mit der ihm eigenen Energie verschiedene Möglichkeiten erwogen, Esthers Geschichte einem größeren Publikum bekannt zu machen.
Seine Presseerklärung kurz nach der Auktion hatte den Ton vorgegeben:
Lord Madingsfield ist erfreut anzuzeigen, dass er die wertvolle Starbrough-Sammlung von Büchern, Manuskripten und astronomischen Instrumenten erworben hat. Die Observationsjournale und das autobiografische Material, betreffend Anthony Wickham und seine Adoptivtochter Esther aus Starbrough Hall, Norfolk, bieten sowohl Einblick in ein faszinierendes Familiengeheimnis der Madingsfields als auch einen ausgezeichneten Beitrag zu unserem Wissen über die astronomischen Entdeckungen des achtzehnten Jahrhunderts.
Die Auktion selbst hatte großes Interesse erregt. Judes Artikel im Magazin von »Beecham’s« hatte weitere Berichte in Wochenzeitschriften und Tageszeitungen angeregt, und sie wurde zu Interviews in Funk und Fernsehen eingeladen, um über Esthers Geschichte zu sprechen. Trotz der ungünstigen wirtschaftlichen Lage erschienen am Tag der Auktion viele Sammler, um mitzubieten. Um manche Stücke gab es einen scharfen Wettbewerb – wie um die seltenen Bände von Sir Isaac Newton, den Atlas Coelestis , den Orrery –, aber in den meisten Fällen erhielt Lord Madingsfield den Zuschlag.
Beim Sektempfang am Abend nach der Auktion stellte Jude ihm Robert Wickham vor – den Einzigen aus der Familie, der sich ein Herz gefasst hatte und zur Auktion erschienen war – und Cecelia, die den Lord bezirzte, und danach kam alles rasch in Schwung. Eine Woche später hatte er Kontakt zu Cecelia aufgenommen und sie gebeten, eine ganz besondere Ausstellung auf Madingsfield zu kuratieren, auf der sämtliche Stücke, die er auf der Auktion erstanden hatte, zu sehen sein würden – Esthers Geschichte sollte endlich erzählt werden.
Jude warnte Cecelia, nicht zu vergessen, dass Geoffrey Madingsfield immer ans Geldverdienen dachte, auch wenn es um kulturelle Dinge ging. Bei der Starbrough-Sammlung verbanden sich diese beiden Interessen jedoch noch mit einem dritten, tieferen und mächtigeren Motiv: seiner Leidenschaft für den Namen der Familie. Sein
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