Die Karte Des Himmels
ganzes Leben lang hatte er sich für das Geheimnis der Madingsfields interessiert – dafür, was aus Lucille, der Lady mit der Sternenkette, geworden war und aus ihren Töchtern –, und die Starbrough-Sammlung hatte die Lösung des Rätsels geboten. Diese dreifache Motivation erwies sich als äußerst kreativ und erfolgreich, nicht zuletzt, weil Lord Madingsfield rasch Kontakte zu den heutigen Vertretern der Familie Wickham knüpfte. Sein Besuch auf Starbrough Hall kurz vor Weihnachten verursachte in der Gegend einen großen Aufruhr, und er selbst bekundete, dass die Bibliothek ihn »überaus fasziniert« habe. John Farrell war erfreut, ihm die Erlaubnis zu erteilen, sich in seinem klassischen Bentley zum Turm chauffieren zu lassen, um den Ort zu besichtigen, an dem Anthony und Esther die Sterne beobachtet hatten. Kurz darauf legte Lord Madingsfield eine selten gesehene Großzügigkeit an den Tag, als er Farrell eine überwältigende Summe für die Instandsetzung des Starbrough Folly zur Verfügung stellte.
Diese Wendung übte eine beinahe magische Wirkung auf Farrells Pläne aus. Wie in der Gemeindeversammlung vorhergesehen, hatten die Behörden die ersten Entwürfe für die Umgestaltung der Wälder von Starbrough im September abgelehnt. Das galt auch für die folgenden veränderten Entwürfe. Als Farrell schließlich einen wesentlich bescheideneren Vorschlag vorstellte, der zwei umweltfreundliche Ferien-Cottages an der Foxhole Lane vorsah, und anbot, mit Madingsfields Geld ein Schmuckstück aus dem Turm zu machen und ihn für Publikum zu öffnen, schienen die Behörden wenigstens bereit, ihn anzuhören. Alexia und Robert nutzten die Gelegenheit, ihre eigenen Pläne zu verkünden, um ihr Einkommen aufzubessern: ein paar leer stehende Schlafzimmer des Anwesens für zahlende Gäste einzurichten. Und Robert hatte vor, sich einen lang gehegten Traum zu verwirklichen: seinen eigenen exklusiven Weinhandel auf dem Gelände zu eröffnen. Jude wollte wissen, wo Chantal ihren Platz in all den Veränderungen finden sollte.
»Robert und Alexia haben gesagt, dass ich mich bei ihnen immer zu Hause fühlen darf«, hatte sie an einem frostigen Nachmittag im Januar erzählt, als Jude auf einen Tee zu Besuch gekommen war. Sie hatten im Wohnzimmer gesessen, denn Chantal konnte die leere Bibliothek nicht ertragen. »Und ich wäre hier auch sehr glücklich, ich könnte Alexia bei der Arbeit und mit den Kindern helfen. Aber zuerst will ich mir das gönnen, was in diesen dummen modernen Zeitschriften eine ›Auszeit‹ genannt wird. Im Mai fahre ich zur Frau meines verstorbenen Bruders, die in der Nähe von Toulouse wohnt. Dort werde ich meine gesamte Familie treffen. Im Juni besuche ich dann meine Schulfreundin Audrie in Paris. Anschließend habe ich eine Kreuzfahrt gebucht. Was halten Sie davon?«
»Eine Kreuzfahrt! Das ist ja toll! Wohin geht die Reise?«
»Ich gehe in Nizza an Bord, und wir fahren überall im Mittelmeer herum. Das Schiff ist bescheiden, aber elegant, nicht einer von diesen Riesenkähnen. Es gibt so viele Orte, die ich mit William besichtigen wollte, als er noch lebte. Aber William liebte nur Norfolk. Das heißt, dass ich die Gelegenheit am Schopf fassen muss, jetzt wo ich allein bin.«
Das neue Funkeln in Chantals Augen bei dem Gedanken an die aufregende Reise veranlasste Jude, sich insgeheim zu fragen, ob sie wohl für immer allein bleiben würde. Sie war so schön und anmutig, eine äußerst liebenswürdige Person, und es war sehr wahrscheinlich, dass sie die Menschen anziehen und neue Freunde und vielleicht auch Verehrer finden würde.
»Das klingt großartig!«, rief Jude. »Eine hervorragende Idee! Aber Euan und ich hoffen natürlich, dass Sie zu unserer Hochzeit im Juni wieder zu Hause sind.«
»Sie heiraten! Aber warum überrascht mich das eigentlich? Oh, Jude!« Chantals Umarmung gab Jude zu verstehen, wie sehr sie sich freute, und sie besprachen eifrig, wie Chantal für die Hochzeit in der Kirche von Starbrough aus Frankreich einfliegen konnte, bevor sie im Juli auf ihr Schiff ging.
Der Gedanke an die Ausstellung und die Renovierung des Turmes hatten Chantal besänftigt. »Aus traurigen Ereignissen kann wieder neues Glück entstehen, das dürfen wir nie vergessen, Jude.«
Es war ihr vorgekommen, als habe sie eine Ewigkeit auf die Eröffnung der Ausstellung warten müssen, bis es an diesem Tag endlich so weit war.
»Oh, da sind sie!«, rief Jude und winkte. »Wow, die ganze Familie!«
Robert stand
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