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Die Katastrophe

Die Katastrophe

Titel: Die Katastrophe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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auf ihr Äußeres legten, waren ihrer Erfahrung nach entweder schwul oder saublöde Aufreißer. Reale Jungs, mit denen man reden konnte, die einen verstanden, waren nicht schön.
    Aber Sebastien war die Ausnahme von der Regel. Seine dunkelblonden Haare waren einen Tick zu lang, um zu vermuten, er käme gerade vom Friseur. Seine Haut war von einer fast makellosen Bräune, aber eben nur fast, denn selbst aus der Entfernung konnte Katie am Haaransatz den weißen Rand erkennen, den eine Mütze hinterlassen hatte. Er trug nicht wie alle anderen ein weißes Hemd und schwarze Krawatte, sondern ein schwarzes Hemd und eine weiße Krawatte. Und wenn er lächelte, dann wäre das Lächeln perfekt gewesen, hätte er nicht den Kopf dabei leicht zur Seite geneigt, sodass er geradezu spöttisch wirkte.
    Ihre Eltern redeten und redeten. Katie konnte sich nicht mehr erinnern, worum es ging. Vielleicht um die Weltwirtschaftskrise, den Klimagipfel, den Afghanistan-Einsatz – vielleicht aber auch nur um die empfehlenswerten Hotels und Restaurants in DC.
    Jedenfalls stand Sebastien plötzlich neben ihr, sah auf seine Uhr und meinte: »Elf. So lange habe ich versprochen zu bleiben. Wollen wir gehen?« Dann machte er eine Kopfbewegung Richtung Ausgang und gemeinsam verließen sie diese Party. Doch sie waren nicht in einen Club gegangen, wie sie vermutet hatte, sondern er hatte sie zur Theodor-Roosevelt-Brücke geführt. So hatte alles angefangen.
    »Wie lange sind wir schon unterwegs?« Julias Stimme riss Katie aus ihren Gedanken.
    Katie zog ihr Handy aus der Tasche. »Dass du immer noch kein Handy hast, ist wirklich merkwürdig.«
    Doch Julia zuckte lediglich mit den Schultern. »Um zu wissen, wie viel Uhr es ist, brauche ich kein Handy.«
    »Wie wäre es dann mit einer Armbanduhr?«
    Julia lachte.
    Katie blickte auf das Display. Gut dreieinhalb Stunden waren sie jetzt unterwegs und sie hatten schätzungsweise über die Hälfte der Uferstrecke hinter sich gebracht. Aber immer noch keine Spur von der Abzweigung, der sie um die Steilwand herumführen würde, und keine Spur von Ana Cree.
    »Was hältst du von diesem Paul?«, fragte Julia.
    »Er ist ein Klugscheißer und ich traue ihm nicht.«
    »Warum hast du ihn dann mitgehen lassen?«
    »Er hätte uns auffliegen lassen können.«
    Eine Weile schwiegen sie, bis Julia überlegte: »Ich frage mich nur, woher er die Karte hat.«
    Katie trat einen Stein zur Seite. »Keine Sorge, das finde ich schon noch heraus.«
    Julia wurde langsamer und klang leicht beunruhigt, als sie nun sagte: »Was Debbie wohl damit gemeint hat, er sei auf Bewährung?«
    »Keine Ahnung.«
    »Wir sollten es aber wissen«, erklärte Julia.
    Katie warf ihr einen Blick zu. »Kriegst du plötzlich Schiss? Dann hättest du im College bleiben sollen.«
    Julia schüttelte stumm den Kopf. Sie wollte gerade etwas erwidern, als die Jungen, die gut fünfhundert Meter vor ihnen gingen, stehen blieben und sich zu ihnen umdrehten.
    »Was ist los?«, rief Katie.
    »Kommt mal her! Das müsst ihr euch anschauen!« Benjamin winkte ihnen aufgeregt zu.
    Einen Moment später waren Katie und Julia bei ihnen und nun sahen sie, was sie meinten.
    Eine riesige Schneise schnitt sich durch den Mischwald, der bis jetzt zu ihrer Rechten verlaufen war. Als hätte ein gewaltiger Sturm alle Bäume gefällt. Oder als ob jemand mutwillig die Bäume gerodet hätte. Stattdessen breitete sich vor ihnen eine grün schimmernde Fläche aus, die gut zwei Kilometer lang sein mochte und sich so weit in die Breite zog, dass Katie das Ende nicht erkennen konnte.
    Die Brachlandschaft war dicht bewachsen mit braunem Gras, Schilf und Gestrüpp, aber obwohl Katie beim Anblick der toten Äste und Baumstämme, die aus dem Sumpf ragten, übel wurde, hatte sie doch nur Augen für die Wand, die zwar in einiger Entfernung, aber doch mit überraschender Deutlichkeit zu ihrer Rechten aus dem Sumpf aufragte. Plötzlich – wie auf einen Schlag – schien das Bergmassiv des Ghost in greifbare Nähe gerückt zu sein.
    »Was ist das?«, fragte Julia.
    »Sumpf«, erklärte Chris, hob einen Felsbrocken vom Boden und schleuderte ihn in Richtung des grünlichen Schlamms. Er versank innerhalb von Sekunden.
    »Was für ein ekelhafter Gestank!« David schüttelte sich.
    Katie nickte. Ja, der Geruch war durchdringend. Sie sah sich um. »Wo sind wir?«, fragte sie.
    Paul zog die Karte hervor. Sie flatterte leicht im Wind, als er sie vor sich auf einem Stein ausbreitete. Alle versammelten

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