Die Katastrophe
Wald, der die Straße nach Fields säumte. Hier standen die Bäume nicht so dicht wie auf der anderen Seite des Lake Mirror. Zudem wurden die hohen Fichten immer wieder von Laubbäumen durchsetzt. Alte knorrige Eichen und hohe schlanke Buchen lösten die Undurchdringlichkeit des Waldes auf. Zudem schien es fast, als ob hier wöchentlich eine Putzkolonne ihre sorgfältige Arbeit verrichtete. Holzstöße lagen sorgfältig gestapelt am Wegrand, weder Tannennadeln und Laub noch herabgefallene Äste waren zu sehen. Zwischen den Bäumen hatte man Holzbänke aufgestellt. Katie wusste, dass das hier ein beliebter Treffpunkt für die College-Liebespaare war.
Plötzlich blieb sie abrupt stehen. Gut zwanzig Meter von ihr entfernt saß eine Gestalt auf einer der Bänke. Die helle Jacke war in der Dunkelheit gut zu erkennen. Und sie wusste sofort, um wen es sich handelte. Paul Forster, der sich einfach in das Team gedrängt hatte. Im Grunde hatte sie bereits verloren, als er sich als der Besitzer der einzigen Karte präsentierte. Woher auch immer er sie hatte.
Würde sie sich nur nicht so verwirrt fühlen bei seinem Anblick. Wäre sie nur nicht so betäubt in seiner Gegenwart. Es war ein Gefühl, dass sie nicht ausstehen konnte. Mann, Katie! Pass auf! Lass dich nicht von ihm manipulieren!
Denn dass Paul Forster die Kunst der Überredung perfekt beherrschte, hatte er schließlich deutlich gezeigt, als er Debbie auf seine Seite gezogen und dazu gebracht hatte, auf die Teilnahme an diesem Unternehmen zu verzichten.
Sie holte tief Luft und ging mit schnellen Schritten auf ihn zu. Er sollte bloß nicht merken, wie unsicher sie war.
Paul saß völlig entspannt auf der Bank, die Arme auf die Lehne gestützt, die Augen geschlossen.
Neben ihm lehnte sein vollbepackter Rucksack, an dessen Seite der Griff eines Eispickels in die Luft stach. Einen Meter vor ihm stoppte sie, zog ihr Gepäck von den Schultern, und ohne ihn zu begrüßen, fragte sie: »Wird dich Daddy an diesem Wochenende nicht vermissen? Schließlich gibt es nicht jeden Tag die Gelegenheit, den eigenen Sohn der Gouverneurin zu präsentieren.«
Hatte er ihre Anwesenheit gespürt, geahnt? Jedenfalls zeigte er sich nicht überrascht, sondern erwiderte, ohne die Augen zu öffnen: »Keiner vermisst mich. Ich bin das schwarze Schaf in der Familie.«
Und dann schlug er abrupt die Augen auf und starrte sie direkt an. Die gelbbraune Farbe seiner Iris leuchtete selbst in der Dunkelheit und sein Blick war – wie ein Schlag in die Magengrube.
Er weiß es, dachte sie. Und gleichzeitig fragte sie sich, was genau es war, was er wusste.
»Loser können wir auf dem Ghost übrigens nicht gebrauchen«, sagte sie betont schnippisch. »Ich kann also nur hoffen, dass das nicht deine erste Tour ist. Hier geht es schließlich um Leben oder Tod.«
Sie hatte es geschafft, ein Höchstmaß an Arroganz in ihre Stimme zu legen und gleichzeitig hörte sie selbst, wie lächerlich dramatisch sie klang.
»Jede Tour ist die erste«, gab er ebenso überheblich zurück. »Und keine Sorge, ich kenne das Risiko. Hab ich auf dem Vic-toria-Gletscher und dem Snow Dome gekannt. Das ist es schließlich, was mich reizt.« Und nur eine Sekunde später. »Und dich auch.«
Mit einer eleganten Bewegung erhob er sich und trat auf sie zu. Katie blieb keine Gelegenheit, einige Schritte zurückzuweichen, sodass sie nun direkt voreinanderstanden.
»Hast du dir mal überlegt, ob wir die anderen überhaupt brauchen?«, murmelte er. Selbst in der Dunkelheit konnte sie seine Augen erkennen, fast schien es, als ob sie aus sich heraus leuchteten. »Was, wenn wir allein losgehen? Wir brauchen die anderen nicht. Sie werden nur ein Hindernis sein.«
Katie hätte nicht sagen können, dass es Angst war, was sie empfand. Nein, sie war eher überrascht. Überrascht darüber, dass sie am liebsten erwidert hätte: »Du hast recht. Lass uns die Sache alleine durchziehen.«
Doch das war natürlich völliger Blödsinn. Nie würde sie so etwas sagen und außerdem war es bereits zu spät. Denn nun hörten sie Stimmen und eine Sekunde später tauchten die anderen hinter der Biegung des Weges auf: Julia, Chris, David und Benjamin, der mit der Kamera auf sie losstürmte. Seine laute Stimme durchbrach die Stille: »Die erste Klappe. Die erste Einstellung. Das Team vor dem Aufbruch. Wie geht es euch, Leute? Wie fühlt ihr euch? Seid ihr bereit für das Abenteuer?« Dann schwenkte er langsam herum und sagte: »Wir befinden uns hier am
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