Die Katastrophe
bedrängt, nach ihren Gründen gefragt, warum sie auf den Ghost stieg. Aber sie hatte sie ihm nicht mitteilen wollen – und selbst wenn, wie hätte sie es ihm erklären können? Und nun schien er sie mit Missachtung strafen zu wollen. Stattdessen hatte er sich an Paul gehängt, der wie aus dem Nichts aufgetaucht war.
Sie versuchte, einen Blick auf die Steilwand des Berges zu erhaschen, die man vom Ufer aus gut hatte sehen können, doch das hohe Gras gab selten den Blick frei.
Das, was sie hier vorhatten, war falsch, schoss es Julia durch den Kopf. Es fühlte sich einfach nicht richtig an, ja, sogar wie etwas, das sie um jeden Preis hätten vermeiden müssen. Etwas Unausweichliches, das sie nicht genau benennen konnte. Sie gingen direkt darauf zu. Und mit jedem Schritt wurde ihr schwerer ums Herz zumute. Welch ein Hohn, dass dieser Himmel so abartig blau war – die Sonne so unglaublich strahlend.
Julia blieb stehen und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Das Gelände wurde immer schwieriger und unwegsamer. Ana und David trampelten einfach über das hohe Gras hinweg. Seufzend setzte sie sich wieder in Bewegung und schloss zu den anderen auf. Sie hörte, wie Ana mit den Jungs über den unterirdischen Fluss sprach, als könnte dieser tatsächlich existieren, ein Fluss, der den Tod brachte. Julia wünschte, Robert wäre hier und würde diesen Fantasien Einhalt gebieten.
Katie kam von hinten heran und überholte Julia. Ihre Mitbewohnerin, die den Großteil des Weges an ihrer Seite gelaufen war, hatte mittlerweile einen Rhythmus vorgelegt, den Julia schrecklich anstrengend fand. Einmal wurde sie langsam, als zögere sie, und dann wieder – ganz plötzlich – schlug sie ein straffes Tempo an, dass Julia Mühe hatte, ihr zu folgen. Sobald sie die Jungs fast eingeholt hatte, stoppte sie, um wieder langsamer zu werden, zögerlich.
»Hast du diesen Paul schon jemals vorher am College gesehen?«, hörte sie Katie jetzt fragen.
»Er ist mir nie aufgefallen und ich wusste auch nicht, dass Forster einen Sohn hat. Und dann noch das mit der Bewährung.«
»Debbie!«, stieß Katie verächtlich hervor. »Wer glaubt schon, was Debbie erzählt?«
»Er hat nicht widersprochen, also scheint ja an der Geschichte etwas Wahres dran zu sein«, überlegte Julia und musterte Pauls Rücken aufmerksam, als könne sie daran ablesen, um was für einen Typ es sich handelte. Für ihren Geschmack hatte er etwas Selbstherrliches an sich, aber war das bei Chris anders?
Ja, war es, denn Chris verunsicherte sie immer wieder mit seinen Stimmungsschwankungen. Paul dagegen schien genau zu wissen, was er wollte.
»Du traust ihm doch auch nicht«, fuhr sie fort.
Katie antwortete nicht, sodass Julia schon dachte, sie hätte sie nicht gehört, aber dann stieß sie hervor: »Er hat die Karte.«
»Aber Ana ist diejenige, die den Weg kennt, oder?«, erwiderte Julia. Sie stöhnte. »Wobei ich heilfroh wäre, wenn sie uns endlich aus diesem verdammten Schilf führen würde. Mann, bei jedem Schritt fürchte ich zu versinken. Ich möchte nicht wissen, was dort alles vor sich hin modert. Ich hoffe wirklich, dass wir den Sumpf bald hinter uns haben.« Sie machte eine kurze Pause. »Stell dir mal vor, Debbie wäre hier. Das Gejammer möchte ich nicht hören.«
Katie lachte kurz auf. »Dass sie überhaupt auf die Idee gekommen ist! Manchmal denke ich wirklich, ihr Gehirn ist von irgendeinem Virus verseucht. Ich habe noch nie jemanden kennengelernt, der so wenig Selbsterkenntnis hat wie Debbie. Schaut sie nie in den Spiegel?«
Benjamin tauchte plötzlich hinter ihnen auf. »He, stopp! Haltet mal an!«
Julia wandte sich um. Auf Benjamins Gesicht lag ein Ausdruck von Triumph und Spannung und in der ausgestreckten Hand hielt er einen Ast, an dem vermoderte Schilfblätter herunterhingen wie die Reste eines alten Lappens.
Und noch etwas.
Etwas Braunes, Rechteckiges.
»He, Jungs! Mädels! Das müsst ihr euch ansehen! Der Sumpf gibt seine Schätze frei.«
Die Vierertruppe vor ihnen stoppte. David sagte etwas zu Chris und gemeinsam kamen sie zurück, während Ana und Paul unschlüssig abwarteten.
Benjamin befreite das braune Etwas vom Ast, ließ ihn fallen und kam auf sie zu, den Gegenstand in der Hand.
»Spielst du Indiana Jones, oder was?«, rief Chris.
Benjamin säuberte den Gegenstand mit seinen Händen, drehte ihn einige Male hin und her, klappte ihn auf und rief: »Wahnsinn! Das ist so etwas wie ein Geldbeutel!«
Er öffnete ihn und pfiff leise
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