Die Katastrophe
Ausgangpunkt für die legendäre Besteigung des Ghost. Auf den ersten Blick ein Berg wie viele in den Rocky Mountains. Doch sein Name ist Programm. Er birgt ein großes Geheimnis. Denn auf dem Weg zu seinem Gipfel sind vor dreißig Jahren acht Studenten angeblich verschollen. Nur Legende oder Wahrheit? Wir brechen nun auf, das Geheimnis zu lüften. Doch was werden wir dort oben auf über dreitausend Metern finden?«
Benjamin ließ die Kamera sinken, schaltete sie aus und ein zufriedenes Lachen war zu hören. »Yeah, die erste Szene haben wir im Kasten.«
In der Morgendämmerung, die langsam einsetzte, waren die Gesichter kaum zu erkennen, doch die Aufregung und Erwartung, die aus Benjamins Stimme klang, übertrug sich auf alle. Katie spürte endlich das erhoffte Adrenalin und genoss das Gefühl von Energie. Dein Plan wird nicht scheitern, dachte sie, nicht, wenn dein Wille es verhindert. Jede Idee gelingt. Du musst nur dafür kämpfen.
»Also los«, sagte sie entschlossen und griff nach ihrem Rucksack, als Julias Stimme in der Dunkelheit erklang: »Was ist mit diesem Mädchen? Wie war noch mal ihr Name? Ana? Wann treffen wir sie? Kommt sie überhaupt?«
»Das habe ich doch schon gesagt. Sie erwartet uns an der Gabelung des Uferwegs«, erwiderte Katie. »Wir sind bei Ana in guten Händen. Niemand kennt diese Gegend hier besser als Ana Cree, ich hab mich in Fields erkundigt. Ihr Großvater hat in einer Blockhütte in den Wäldern gelebt, bis er zu krank wurde, um sich selbst zu versorgen. Ana benutzt sie manchmal, wenn sie Touren auf den Gletscher macht.«
»Dann war sie schon einmal auf dem Ghost?«, wollte David wissen.
Katie zögerte. »Hört zu, das Ganze ist ein Experiment«, sagte sie. »Jeder von uns hat einen anderen Grund, warum er das macht. Und wenn wir ehrlich sind – jeder von uns ist ein Einzelkämpfer. Aber keiner von uns schafft es alleine bis auf den Gipfel. Wir müssen also einander vertrauen, ob wir wollen oder nicht, okay? Ana hat gesagt, sie trifft uns, und ich bin überzeugt, sie wird da sein. Warum ich da so sicher bin? Weil ich ihr vertraue!«
Ob das Schweigen, das nun herrschte, Zustimmung oder Zweifel bedeutete, wusste Katie nicht und es war ihr auch egal.
Es war Paul, der die Spannung auflöste. »He Leute, warum die ganze Aufregung? Jeder von uns ist freiwillig hier. Also, wenn einer es sich anders überlegt, kein Problem. Geht zurück in euer warmes Bett und freut euch auf die Gouverneurin, die in sechs Stunden hier eintrifft.« Er sah in die Runde. »Aber wenn ihr es durchziehen wollt, dann lasst uns endlich aufbrechen und hier nicht unnötig Zeit mit Reden verlieren.«
Katie zog den Rucksack auf den Rücken. Für einen Moment spürte sie das Gewicht, aber es fühlte sich genau richtig an. Ohne den anderen noch einen Blick zuzuwerfen, wandte sie sich um und ging mit raschem Tempo los.
Jeder entscheidet für sich allein.
Sie kam nicht weit. Denn aus dem Dunkeln des Weges löste sich eine schlanke Gestalt. Robert hatte trotz der frühen Morgenstunden nur Jeans und ein zerknittertes weißes T-Shirt an, als sei er hastig in seine Klamotten geschlüpft. Er war blass und der Blick hinter den runden Gläsern der Brille war verlegen, aber in seiner Stimme lag diese Bestimmtheit, die typisch für ihn war, als er sagte: »Ich warne euch. Tut es nicht.«
Benjamin löste die Kappe des Kameraobjektivs und hielt direkt auf Robert.
»Warum nicht, Rob? Sag schon! Warum nicht? Was fühlst du? Was siehst du in der Zukunft?«
Doch Robert beachtete ihn gar nicht, sondern ging auf Julia zu, die dicht neben Chris stand. »Er ist nicht dort oben. Nicht mehr.«
»Wer?«, hörte Katie Benjamin rufen. »He, Julia, wovon spricht er? Sag schon! Wer ist nicht dort oben?«
»Lass mich einfach in Ruhe, Robert.« Julia wandte sich um und stapfte einfach los.
Chris folgte ihr.
Hilflos starrte Robert ihnen nach. »Ich weiß, es wird etwas Schreckliches passieren.«
Und bevor Katie noch etwas erwidern konnte, hörte sie bereits Paul antworten: »Kann sein. Kann nicht sein. Das ist ja das Wesen des Schicksals, Robert. Es passiert, was passieren muss und wir können nichts dagegen tun. Und du, Rob, siehst das Unheil vielleicht kommen. Aber hast du ein einziges Mal überlegt, dass du es gar nicht aufhalten kannst? Dass du vielleicht nur die Fähigkeit hast, es zu sehen, aber das war’s auch schon? Du kannst das Schicksal nicht stoppen. Sosehr du es auch versuchst.«
Robert schwieg. Noch einmal sah er
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