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Die Katastrophe

Die Katastrophe

Titel: Die Katastrophe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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durch die Zähne. Dann zog er etwas heraus. Einige Sekunden lang herrschte angespanntes Schweigen, bis Benjamin das, was er gefunden hatte, wie eine Trophäe in die Luft hob.
    Julia erkannte fast sofort, worum es sich handelte. Sie wandte ihren Blick dem Sumpf zu, der sich nur scheinbar wie ein breiter grüner Weg bis an den Fuß des Ghost erstreckte. Doch wenn man sich konzentrierte und auf die Details achtete, dann erkannte man den weichen Erdboden und dazwischen die geradezu schwarzen Wasserlachen. Vor ihnen musste sie sich hüten, sie waren gefährlich und konnten jederzeit einen Menschen in die Tiefe ziehen.
    Was Benjamin entdeckt hatte, schien auf den ersten Blick harmlos. Ein Foto.

12
    A ls Benjamin dieses verdreckte Ding anschleppte und alle in totale Aufregung gerieten, dachte Katie zunächst nur ungeduldig: »Shit! Das hatte gerade noch gefehlt!« Sie waren nun schon so lange unterwegs und, zum Teufel, im Grunde waren sie nicht wirklich vorangekommen. Die anderen schien das nicht zu stören, sie umringten Benjamin voller Neugierde, aber Katie platzte fast vor Ungeduld.
    Was Benjamin aus diesem Brackwasser gezogen hatte, war keine Brieftasche, sondern ein Brustbeutel aus Nylon, dessen ursprüngliche orange Farbe erst offensichtlich wurde, als Benjamin den Reißverschluss öffnete. Das Nylonmaterial hatte das Wasser weitgehend abgehalten, sodass der Inhalt gut erhalten, wenn auch zerknittert und voller Stockflecken war.
    »Jede Menge Kohle«, schrie Benjamin.
    Na ja, hundert kanadische Dollars waren nicht gerade ein Riesenvermögen, aber auch nicht schlecht.
    Als Nächstes zog er einen Zettel heraus, den er an Katie weitergab.
    »Eine Liste wie deine.«
    »Meine?« Katie hatte keine Ahnung, wovon er sprach.
    David warf einen Blick über ihre Schulter. »Eine alphabetische Liste der Ausrüstung, die nötig ist, um einen Berg zu besteigen.«
    Katie hörte nur halb zu, als er laut vorlas: »Akkus, Besteck, Daunenjacke...« Stattdessen beobachtete sie Paul, der das Foto anstarrte.
    Sie trat zu ihm und betrachtete die vergilbte Aufnahme. Ein Mädchen mit langen blonden Haaren, das in die Kamera lächelte. Im Hintergrund war Wasser zu erkennen. Mehr nicht.
    Das Foto stammte aus einer anderen Zeit. Einer Zeit, in der Mädchen Schlaghosen trugen und bunte Blusen und das Peace-Zeichen in die Kamera hielten. Aber das war nicht alles. Julia irritierte am meisten, dass jemand das Foto in der Mitte zerschnitten hatte. Das Mädchen war ursprünglich nicht alleine auf dem Bild gewesen.
    »Na ja, die sieht ja ganz passabel aus«, sagte Benjamin. »Aber offenbar war da noch jemand mit auf dem Foto, der ihr das Herz gebrochen hat. Was meint ihr?«
    Er drehte es um und stieß einen lauten Pfiff aus. »Das ganze Datum kann ich nicht lesen, aber die Jahreszahl. 1974. Ist das das Jahr, in dem das Unglück passierte?«
    »Wir müssen es melden«, hörte sie nach einigen Sekunden David. »Und die Sachen beim Dean abgeben.«
    »Du meinst doch nicht etwa, wir sollen umdrehen?«, gab Katie entsetzt zurück. »Nur weil wir ein uraltes Foto gefunden haben? Leute – das ist diese Umgebung hier! Der Gestank und all dieser Moder, das zerrt an den Nerven. Wir sollten schleunigst dafür sorgen, dass wir weiterkommen.«
    Paul mischte sich ein. »Katie hat recht. Das ist doch nur alter Kram.« Er zog den Rucksack von den Schultern, öffnete eine der Seitentaschen und zog eine Plastiktüte hervor.
    »Was hast du vor?«, fragte Julia nervös.
    »Nichts. Ich stecke das Ding in diese Tüte hier, dann haben wir es so behandelt, wie die Polizei es liebt.« Er grinste breit. »Mit Beweismitteln kenne ich mich aus.«
    »Paul?«, erklang zum ersten Mal wieder Anas Stimme. Das Mädchen hatte der ganzen Sache völlig desinteressiert zugesehen und einfach nur gewartet. »Dein Name ist Paul?«
    »Wir sind uns ja noch nicht offiziell vorgestellt worden. Ich bin Paul, Paul Forster.« Er hob die Hand.
    »Gibt es nicht einen Prof am Grace namens Forster? Mein Großvater kennt ihn.«
    Paul erstarrte, nur ganz kurz. Niemand schien es zu bemerken, bis auf Katie. Er zog den Rucksack wieder auf die Schultern und wandte sich um. »Was ist nun?« Seine Stimme war mit einem Mal ganz scharf geworden. »Gehen wir jetzt oder nicht? Wir haben schon viel zu viel Zeit hier verloren.«
    Die anderen zögerten und es war Julia, die sagte: »Also wo, Ana, geht es jetzt weiter? Denn wenn du mich fragst, ist das kein Weg hier, das ist ein verdammter Albtraum.«
    Benjamin lachte.

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